Unternehmensbewertungen sind in vielfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Ob Scheidung einer Unternehmerehe, die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Erben eines verstorbenen Unternehmers oder aber auch nur die Erlangung einer Indikation eines Unternehmenswerts, etwa zur Veräußerung oder zur Nachfolgeplanung: All diese Situationen setzen eine Unternehmensbewertung voraus, die, da hier naturgemäß zahlreiche Stellschrauben zu berücksichtigen sind, besonders streitanfällig sein können.
Um die Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht etwas transparenter und praktikabler zu machen, hat der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) unter dem 25.05.2015 den Entwurf eines entsprechenden neuen Bewertungsstandards verschiedet (IDW ES 13). Dieses Reglement berücksichtigt unter anderem auch die über die Jahre gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einschlägigen Fällen. In Abweichung zum „üblichen“ Bewertungsstandard IDW S 1 berücksichtigt IDW ES 13 insbesondere die inhaberbezogenen Einflüsse auf die Ertragskraft des Unternehmens, sieht hierbei zudem die Berechnung und den Abzug latenter Ertragsteuern (zumindest teilweise) sowie die Berücksichtigung sonstiger personalistisch bewertungsrelevanter Einflüsse vor.
Die Bewertung eines Unternehmens zum Zwecke der Ermittlung von Ausgleich- oder Auseinandersetzungsansprüchen (etwa beim Zugewinnausgleich oder bei der Pflichtteilsgeltendmachung) erfolgt danach in zwei Stufen:
Auf der ersten Stufe wird der objektivierte Unternehmenswert ermittelt, wobei die Basis der Bewertung das so genannte Ertragswertverfahren ist. Gerade bei KMU ist allerdings die Inhaberbezogenheit dieser Unternehmen besonders wichtig und daher zu beachten. Ziel der Bewertung muss es sein, ausschließlich die auf einen Dritten übertragbare Ertragskraft des Unternehmens zu ermitteln. Resultieren wertbestimmende Faktoren im Unternehmen aus den Kenntnissen oder Fähigkeiten des bisherigen Inhabers, ist die Ertragskraft entsprechend partiell oder zeitlich zu begrenzen. Außergewöhnliche, messbare Qualifikationen des Inhabers sind daneben durch angemessene Zu- oder Abschläge eines (fiktiven) Unternehmerlohns zu berücksichtigen, was wiederum den nachhaltig erzielbaren Ertrag eines Unternehmens in der Bewertung – und damit den Unternehmenswert – beeinflusst.
Auf der zweiten Stufe der Bewertung erfolgt dann eine Überleitung zum Ausgleichs- oder Auseinandersetzungsanspruch, was deshalb erforderlich ist, um dem konkreten Bewertungsanlass Rechnung zu tragen. Hier spielt insbesondere die latente Ertragsteuer eine große Rolle, also die im Unternehmen quasi „steckende Gefahr der Besteuerung stiller Reserven“. Diese wird freilich nur im Fall der Betriebsveräußerung/Betriebsaufgabe realisiert, „latent“ soll sie aber eben auch bei zivilrechtlichen Ansprüchen auf ,,das Unternehmen“ Berücksichtigung finden.
Was Zugewinnausgleichsansprüche angeht, ist es mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass die latenten Ertragsteuern vom Unternehmenswert abzuziehen sind. Der Grundgedanke des Ausgleichsanspruchs, die Eheleute hätten das eheliche Vermögen paritätisch erwirtschaftet, rechtfertige es, am Stichtag des Ausgleichs eine entsprechende Nettobetrachtung vorzunehmen.
Ungeklärt ist die Frage der latenten Ertragsteuern allerdings noch bei Pflichtteilsansprüchen, für die die vorgenannte „eheliche“ Rechtfertigung freilich nicht greifen kann. Die Tendenz in der obergerichtlichen Rechtsprechung geht aber dahin, auch hier latente Ertragsteuern zu berücksichtigen, was nach hiesiger Auffassung auch sachgerecht ist: Warum sollte der Pflichtteilsberechtigte brutto von der (übertragbaren) Ertragskraft des Unternehmens profitieren, obwohl der Erbe früher oder später, vielleicht sogar bereits im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche, die im Unternehmen lastenden Ertragsteuern wird tragen müssen?
Auch wenn die Unternehmensbewertung sicherlich weiterhin sehr individuell auch analytisch auf das betreffende Unternehmen abgestimmt werden muss, so bietet IDW ES 13 doch gute Anhaltspunkte, einen sachnahen Wert zu finden und damit (wünschenswerterweise) Streitigkeiten zu vermeiden.