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Umweg in der Mittagspause

Mittagspause ist Mittagspause! Kaum ein Arbeitnehmer wird sich jemals darum Gedanken gemacht haben, ob er in der gewährten Mittagspausenzeit nun ausschließlich etwas Essen geht oder diese Zeit für private Besorgungen nutzt.

Dass die Unterscheidung von „Essensaufnahme“ und „privater Besorgung“ jedoch relevant sein kann, zeigt nachfolgender Fall:

Eine Dame ging in ihrer Mittagspause in ein mehrstöckiges Gebäude. In diesem befand sich auf der Ebene „A“ ein Restaurant, welches sie zu besuchen pflegte und auf der Ebene „B“ eine Reinigung. Die Frau stürzte auf der Treppe zur Ebene „B“ schwer und zog sich dabei eine Nasenbeinfraktur, Prellungen im Gesicht und eine Halsmarkquetschung bei den Halswirbelkörpern 5 und 6 mit inkompletter Querschnittssymptomatik zu. Bereits die vorgenannten Symptome machen klar, hier handelte es sich um eine erhebliche Verletzung.

Nach kurzer Erholungszeit bekam die Verletzte Besuch von einer Kollegin. Dieser erzählte sie, dass sie eigentlich habe etwas essen gehen wollen, sich dann jedoch überlegte, vorher noch in die Reinigung (auf der Ebene „B“) zu gehen, um ihre Privatkleidung abzuholen.

Als die Verletzte Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machte, verweigerte die Versicherung die Zahlung mit dem Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit gehandelt habe, da die Verletzte sich während ihrer Mittagspause auf dem Weg zu der Reinigung befunden habe und deshalb nicht der versicherte Einkauf einer Mittagsmahlzeit, sondern die (nicht versicherte) private Verrichtung im Vordergrund gestanden habe.

Das hessische Landessozialgericht urteilte mit Entscheidung vom 24.03.2015 (Aktenzeichen: L 3 U 225/10) schließlich gleichfalls, dass der Verletzten keine Ansprüche zustehen, da sie keiner versicherten Tätigkeit nachgegangen sei.

Zwar sei der Verzehr oder Einkauf von Lebensmitteln regelmäßig von der Versicherungspflicht umfasst, weil die Essensaufnahme – wie das Gericht im schönsten Juristendeutsch ausdrückt – eine unaufschiebbare, notwendige Handlung darstellt, die geeignet ist, die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und die es ihm ermöglicht, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen.

Darüber hinaus müsse der Versicherte auch nicht stets das nächstgelegene Geschäft wählen oder den kürzesten Weg dorthin nehmen, versichert sei aber jedenfalls nicht der bloße Erholungssparziergang und auch nicht die Verrichtung von privaten Versorgungen.

Die Verletzte hatte im Prozess behauptet, lediglich einen Umweg zum Restaurant über die Ebene „B“ gegangen zu sein. Dies schien dem Gericht jedoch nicht plausibel, insbesondere da die Verletzte ihrer Kollegin berichtet hatte, auf dem Weg in die Reinigung auf der Ebene „B“ gewesen zu sein. Die Verletzte ging letztlich „leer“ aus.

Das vorgenannte Beispiel zeigt:

 

  1. Rechtliche Fallstricke lauern auch und gerade dort, wo man sie nicht erwartet.
  2.  Das gesprochene Wort kann nicht zurückgenommen und eine Handlung nicht ungeschehen gemacht werden. Das Gericht hatte hier die Klageabweisung im Wesentlichen auf die Angaben gestützt, die die verletzte Frau selbst gegenüber ihrer Kollegin gemacht hatte! Das Sprichwort „sich um Kopf und Kragen reden“ kommt nicht von ungefähr.
  3. Der Grundsatz „Reden ist Silber und Schweigen ist Gold“ (!) gilt nicht nur im Rahmen des Strafrechts (Aussageverweigerungsrecht), sondern auch im beruflichen und privaten Bereich.
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