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Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen auf modische Ware (im stationären Handel) zum 31.12.2020

Gerade der stationäre (Mode-)Einzelhandel wird durch die Lockdowns ins Mark getroffen: Nicht nur, dass die Innenstädte vereinsamen und die geschlossenen Geschäftslokale die Trostlosigkeit zeigen, so hat die Stilllegung auch elementare Bestandsgefahren gerade für Modehändler, weil nach dem Lockdown allenfalls die unsichere Hoffnung besteht, dass das Kundengeschäft wie zuvor (?) weiterlaufen wird, darüber hinaus der Kaufmann diesen Turn-around vielleicht gar nicht mehr erleben wird: Möglicherweise ist er dann mit seiner bislang geblockten Saisonware (z.B. Frühjahr 2021) längst bilanziell überschuldet, (absehbar zahlungsunfähig) und damit insolvent!

Im Prinzip kann man sagen, dass die Maßnahmen, die die Politik getroffen hat, allesamt zielführend sind, trotz der gelegentlichen Ungenauigkeit bezüglich der Zielgruppenbetroffenheit. Sie sind aber in jedem Fall hilfreich, das nicht durch die Unternehmen selbst verursachten Marktschädigungen entstandene Leid möglichst zu beseitigen.

Gerade im stationären Modeeinzelhandel (Textil, Schuhe, auch Sport) sind die von den Unternehmen eingekauften Waren hoch verlustbedroht, wenn sie nicht saisonal rechtzeitig in den Verkehr gebracht werden können: Denn mit den Verkaufserlösen hieraus muss der Kaufmann nicht nur seine laufenden Geschäftskosten decken, sondern auch den Einkauf der nächsten Saisonware bewältigen. Nun bewirkten die Lockdowns aber, dass aktuelle Waren zwangsläufig wegen Geschäftsschließungen gar nicht erst zeitgerecht in Geld umgesetzt werden können. Die Ware ist zwar da, aber Geld aus Umsätzen fehlt, die Ware gerät ohne weiteres aus der Mode und wird wertlos! Das alleine kann schon ruinös sein.

Aber es kommt ein Umstand hinzu, der noch verschärfend wirkt, was folgendes Beispiel zeigt:

Die Frühjahrsware (2021) war bereits Ende des Frühjahrs letzten Jahres (2020) geordert und sukzessiv bis Oktober/November 2020 geliefert worden. Infolge des verschärften Lockdowns seit Oktober 2020 konnte bis jetzt diese Ware praktisch nicht umgesetzt und zu Geld gemacht werden. Sie wird im Regal unmodern (und unverkäuflich) und verliert an Wert!

Bilanziell (sehr oft: zum 31.12.2020) muss deshalb die Ware im Teilwert berichtigt werden, und zwar durch eine hohe Teilwertabschreibung auf das gesamte Warenlager per Bilanzstichtag, weil sich da schon die bevorstehende Gefahr aus der Lockdown-Phase prospektiv auswirkt.

Der Kaufmann weiß und sieht das Ereignis der Schlecht- bis Unverkäuflichkeit seiner Saisonware mit zunehmendem Ablauf der Frühjahrssaison 2021 voraus, er muss befürchten, auf seinen Waren sitzen zu bleiben, was verhindert, Neuware für die Folgezeit einkaufen und seine laufenden Geschäftskosten trotz der Unterstützungszahlungen aus den entsprechenden Programmen der Regierung zahlen zu können (wenn sie denn überhaupt pünktlich zufließen!!!). In jedem Fall muss der Kaufmann aus Vorsicht eine entsprechend hohe Teilwertabschreibung auf sein Warenlager machen, im Extremfall die Neuware auf Null abschreiben, also einen Totalverlust realisieren, der ihn entweder in die Überschuldung geraten oder diese jedenfalls wahrscheinlich werden lässt.

Die Problematik der Teilwertabschreibung ist handelsrechtlich bedrohlich geworden: Schreibt der Kaufmann realistisch die auf Lager gebliebene Neuware während des Lockdowns ab, kann dieser Buchverlust zum Ruin des Unternehmens über sofortige Überschuldung (und darauf basierend zur künftigen Zahlungsunfähigkeit) führen.

Geht der Kaufmann deshalb hin und verringert er die hohe Teilwertabschreibung auf ein geringeres Niveau, schreibt er also effektiv zu wenig ab, droht ihm in der Insolvenz die persönliche Haftung aus dieser fehlerhaften Bilanzierung, die der Insolvenzverwalter als Insolvenzverschleppungsmaßnahme dann gegen ihn persönlich geltend machen wird. Schreibt er stattdessen in wirklich befürchteter Höhe ab, ist er gleich überschuldet und muss Insolvenz schon jetzt anmelden. Er entgeht zwar der drohenden Nachzahlung durch Forderung des Insolvenzverwalters, aber er erlebt dafür die Insolvenz sofort! Die Chance auf Wiedererholung seines Geschäftes ist damit verloren; erfolgt (mit der befürchteten Verspätung) in 2021 dann endlich die Überbrückungsgeldzahlung durch den Staat, ist das zu spät!

Gerade weil sich die Überbrückungsgeldzusagen zeitlich verzögern, muss dem Kaufmann zur Abwendung einer überhöhten Teilwertabschreibung gestattet werden, die beantragten, aber noch nicht bewilligten Hilfsgelder aus der Überbrückungsgeldzusage als Gegenposten der Teilwertabschreibung behandeln zu dürfen, um den anderenfalls entstehenden (Total-)Verlust zu reduzieren.

Denn wenn er mit einer bestimmten Überbrückungshilfe rechnen darf, wirkt die späte Auszahlung der Hilfe bilanziell wertaufhellend, selbst wenn sie erst im Frühjahr 2021 gewährt wird. Sie wirkt sich damit bereits bei der Bewertung zum Bilanzstichtag (31.12.2020) positiv und insolvenzvermeidend aus. Es handelt sich insoweit nicht um eine wertbeeinflussende Tatsache, die nicht bilanziell per 31.12.2020 berücksichtigungsfähig wäre. Die wertaufhellende Tatsache dagegen reduziert die zutreffend gebildete Teilwertabschreibung und bietet so dem Kaufmann die Perspektive, auch im Jahr 2021 trotz und entgegen der katastrophalen Auswirkung der Teilwertabschreibung per Ende 2020 weiter wirtschaften zu dürfen. Durch diese bloße Wertaufhellung (bezüglich der erst im Folgejahr erfolgenden Überbrückungszahlung) kann er die Krise bewältigen!

Der Kaufmann verhält sich gesetzeskonform, bietet dem sonst möglicherweise berufenen Insolvenzverwalter keine Angriffspunkte wegen möglicher Fehlbewertung infolge zu niedriger Teilwertbildung, und er hat die Chance, nach Ablauf des Lockdowns seine zwar im Wert geminderte Ware zu vermindertem Preis zu veräußern, wobei dieser Verlust durch die Überbrückungsgelder (hoffentlich) kompensiert werden wird: So schafft er es, die Krise zu bewältigen!

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