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Haftungserweiterung für Geschäftsleiter bei Eigenverwaltung

Seit einigen Jahren hat sich das Thema der Eigenverwaltung als eine Möglichkeit etabliert, die Krise eines Unternehmens zu überwinden. Das Gesetz sieht hier die Möglichkeit vor, dass das angeschlagene Unternehmen statt den Einsatz eines Insolvenzverwalters die Eigenverwaltung wählt und somit – begleitet von einem insolvenzrechtlichen Sachwalter, der aber keine Verfügungsgewalt hat – sich selbst unter dem Regime des Insolvenzrechts aus der Krise führt oder zumindest zu führen versucht, § 270 InsO. Dies kann gerade dann eine sinnvolle Lösung sein, wenn der Grund für die Krise nicht im Management liegt.

 

 

Haftungserweiterung

Allerdings sollte dem Geschäftsleiter eines solchen Unternehmens eines bewusst sein: Wenn er noch bis zur Eigenverwaltung zu Recht darauf vertrauen durfte, dass er als „Vertreter“ des Unternehmens in der Regel nicht mit einer persönlichen Haftung zu rechnen hat, so kann dies in der Eigenverwaltung durchaus anders sein. Grundsätzlich gilt zwar, dass der Vertreter nur dann mit einer persönlichen Haftung zu rechnen hat, wenn er grob fahrlässig oder vorsätzlich seinem Dienstherrn einen Schaden zufügt oder aber gegenüber Dritten in Erfüllung seiner Pflichten als Vertreter ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet, für dessen Nichteinhaltung sich dann der Dritte sogar unmittelbar beim Vertreter schadlos halten kann (das sind insbesondere Fälle der vorvertraglichen Pflichtverletzung, heute § 311 BGB. Freilich betrifft dies auch Fälle der deliktischen Haftung, die hier aber einmal keine Rolle spielen sollen). Insofern kann der Geschäftsführer grundsätzlich davon ausgehen, dass er nicht für Verpflichtungen der Gesellschaft in Anspruch genommen wird. Die Risiken der Gesellschaft treffen ihn in der Regel nicht.

 

 

Insolvenzspezifische Haftung

Der BGH hat aber deutlich gemacht, dass im Falle der Eigenverwaltung zusätzlich zur Vertreterhaftung des „normalen“ Geschäftsleiters, die Haftung des Insolvenzrechts hinzukommt. Konsequent wendet er die §§ 60, 61 InsO auch auf den Geschäftsleiter eines Unternehmens in Eigenverwaltung an, weil die Geschäftsleitung sich dazu entschieden hat, die Insolvenz im eigenen Namen abzuwenden / zu beseitigen, also „wie ein Insolvenzverwalter“ agiert.

 

 

Diese Position vermittelt gegenüber Dritten eine besondere Vertrauensgrundlage, nämlich basierend darauf, dass Maßnahmen unter der Eigenverwaltung zumindest im Zeitpunkt der Entscheidung perspektivisch mit Erfolg gekrönt sind, also die gegenseitig begründeten Pflichten auch seitens des Krisenunternehmens erfüllt werden.

 

Kommt es dann allerdings nicht zur Erfüllung des Vertrages und erleidet der Dritte einen Schaden, so kann er sich bei dem Geschäftsleiter persönlich schadlos halten, wenn dieser in seiner Planung hinsichtlich der Erfüllung des Geschäftes Fehler gemacht oder gar eine Planung vollständig unterlassen hat. Die Pflichten, die gleichsam und originär einen Insolvenzverwalter treffen, treffen nun auch das „alte“ Geschäftsführungsorgan. Das bisher abgeschottete Haftungsrisiko der Gesellschaft dringt so zumindest teilweise über die Geschäftsführerhaftung ins private Vermögen des Unternehmers ein und zwingt dazu, im Rahmen der Eigenverwaltung die Sorgfalt dahingehend zu erhöhen, dass man „fremdes Vermögen“ verwaltet, was eine sorgfältige Dokumentation und Planung des Unternehmensverlaufs erforderlich macht.

 

Entscheidung des BGH

In dem entschiedenen Fall (BGH vom 25.04.2018 – IX ZR 238/17) hatte der BGH einen hinzugezogenen externen Sanierungsberater, der als weiterer Geschäftsführer agierte, mit den vorstehenden Argumenten zur Haftung hinsichtlich eines geschädigten Kunden des Unternehmens herangezogen.

 

Fazit

Die Krise eines Unternehmens erfordert eine erhebliche Umstellung im Umgang mit den Unternehmenswerten und die Beachtung vieler Facetten. Bevor man über die Eigenverwaltung nachdenkt als eine der Möglichkeiten, die Krise des Unternehmens zu überwinden, sollte man sich die Frage stellen, ob man die bislang erfolgreiche Haftungsabschottung riskieren will und wenn ja, ob man in der Lage ist, die erhöhten Anforderungen an die Geschäftsleitung tatsächlich zu erbringen: Denn gelingt die Eigenverwaltung nicht, dann könnte auch das private Vermögen deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen werden, als bei einer „normalen“ Insolvenz.

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