Gerade die Unternehmer, die ihr 60. Lebensjahr bereits hinter sich haben und sich deshalb einer kritischen Lebensschwelle nähern (weil viele stark strapazierte Menschen mit 60 + – noch nicht alt, aber doch schon „alt genug“ sind und damit ihrem Exitus näher kommen), kümmern sich etwa aus den Erfahrungen in Unternehmerkreisen, in Erfa-Gruppen, aber auch in Nachbarschaften darum, eine Vermögensnachfolge mindestens anzudenken und möglichst auch zu Papier zu bringen. Sie denken darüber nach, was denn nach ihrem möglichen Tod mit ihrem Vermögen geschehen soll.
Viele Unternehmer werden dabei die Impulse aus ihren Unternehmerkreisen benutzen, wo sie hören, wie andere dieses Problem angegangen sind; auch private Vermögende wissen, dass sie für den Fall der Fälle Vorsorge treffen müssen. Aber immer bezieht sich dieser Vorsorgegedanke auf das materielle Vermögen, auf das Unternehmen, auf Immobilien, auf Depots, auf Geldanlagen oder ähnliches. Wer was hat, muss was regeln, so die alte Binsenweisheit.
Aber vielfach wird übersehen, dass gerade in unserem heutigen digitalen Zeitalter sowohl beruflich als auch privat manches über das „Netz“ abgewickelt wird, sodass man dort seine digitalen Spuren hinterlassen hat.
Bekannt ist vielleicht der „Facebook-Fall“, den der Bundesgerichtshof vor kurzem entschieden hat:
Eine 15-jährige Schülerin kam durch eine U-Bahn in Berlin zu Tode, was dann später dazu führte, dass der traumatisierte U-Bahn-Fahrer Schmerzensgeld von den Erben des Mädchens verlangte. Die Eltern konnten gar nicht glauben, dass ihre Tochter ein Verschulden am Unfall traf, dass sogar – wie behauptet – ein Suizid vorgelegen habe, und wollten deshalb auf die Online-Daten des Mädchens zugreifen, um die Wahrheit zu erkunden. Facebook sagte: Nein! Mit dem Tod des Users sperrte Facebook den Internetzugang und war nicht bereit, diesen den Eltern zu öffnen: Denn auf den Konten der Tochter hätten sich höchstpersönliche Daten befinden können, die aber nur dem zugänglich gemacht werden dürften, der auch hierzu berechtigt sei. Dass sei aber der „normale“ Erbe nicht.
Der BGH hob dieses Urteil auf und sagte: Auch der digitale Nachlass ist Nachlass, auf den der Erbe zugreifen darf.
Soweit, so gut.
Aber welche digitalen Konten hat denn der Verstorbene unterhalten? Weiß das der „normale Erbe“? Wenn nichts geregelt ist, fehlen ihm ja die Zugänge zu irgendwelchen Konten, auch Konten zu Online-Banken oder zu digitalen Brokern, um etwa Vermögenspositionen des Erblassers in Erfahrung zu bringen.
In solch einem Fall musste die Witwe eines Unternehmers den Computer ihres Mannes sogar hacken lassen, weil sie sein Passwort für den Rechner nirgendwo finden konnte: Erst als der PC geknackt war, konnte sie nicht nur die Inhalte des Rechners nachvollziehen, sondern erstmalig nach dem Tod ihres Gatten auch wieder die Heizung in ihrem Haus anstellen, weil das Haus gleichfalls digital über den Computer des Verstorbenen gesteuert worden war.
Es ist also trotz der Klarstellung seitens des BGH notwendig, dass der, der einen Computer in Betrieb hat, auch irgendwem hinterlässt, welche Zugangsworte bestehen, um die digitalen „Geheimnisse“ abzurufen, seien sie auf dem Rechner oder in einer Cloud: Das darf der Erbe! Aber er muss erst einmal wissen, wie er an die notwendigen Zugangsdaten gelangt. Denn eins ist sicher:
Keiner will, dass eine beliebige Vielzahl von Personen über seine geheimen Passworte Einsicht in seine Daten bekommen und so Einsicht erlangt in sein höchstpersönliches Privatleben, sei es auch geschäftlich mitveranlasst.
Die Passworte aufzuschreiben und etwa mit dem Testament zu verwahren, ist hierbei nicht unbedingt zielführend: Denn wenn das Testament eröffnet wird, geschieht dies beim Nachlassgericht, dann wird das Testament allen möglichen Erben zugesandt, die damit alle von dem „PC-Geheimnis“ Kenntnis erhalten. Denn sie haben ja die Liste mit den Zugangsdaten gleichfalls mit dem Testament erhalten.
Sinnvoll kann es eher sein, die Haupt-E-Mail-Adresse zu dokumentieren auf dem wichtigsten (am häufigsten gebrauchten) Rechner des Erblassers, damit jedenfalls der, der diesen Zugang hat, auch die weiteren Zugänge zu digitalen Hinterlassenschaften finden kann.
Sinnvoll kann es auch sein, dass im Testament eine bestimmte Vertrauensperson des Erblassers – etwa ein Notar oder Anwalt/Steuerberater/Wirtschaftsprüfer – erwähnt wird, der die Hauptzugangsdaten aufbewahrt, die nur eine bestimmte oder mehrere bestimmte Personen überhaupt berechtigt sind, bei ihm anzufordern.
Er soll dann praktisch fungieren als „digitaler Nachlassverwalter“. Bei diesem sind dann die sauber dokumentierten Zugangsdaten/Nutzernamen und Passwörter hinterlegt, gegebenenfalls auf einem USB-Stick. Den Hinweis auf diesen „digitalen Nachlassverwalter“ kann dann der künftige Erblasser irgendwo in seinen Unterlagen, gegebenenfalls auch in seinem Testament, hinterlassen, um so das Auffinden des digitalen Zugangs zu seinen „Cloud-Hinterlassenschaften“ zu regeln.