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Arbeitsrecht: Risiken der Scheinselbständigkeit nicht unterschätzen

Der Staat braucht Geld und der Zoll kontrolliert zunehmend, ob illegale Beschäftigungen sowie Schwarzarbeit vorliegen. Hierbei beschränken sich die Kontrollen nicht mehr nur auf die Branchen, die bisher schon als „schwarze Schafe“ unter Verdacht standen, wie zum Beispiel das Baugewerbe, sondern die Kontrollen werden zunehmend ausgedehnt, zum Beispiel auch auf Pflege- und Sicherheitsdienste.

Stellt der Zoll hierbei eine aus seiner Sicht gegebene Scheinselbständigkeit fest, gibt er diese Informationen an den zuständigen Rentenversicherungsträger weiter, woraufhin die betreffenden Unternehmer dann mit Betriebsprüfungen zu rechnen haben. Zwar kommt es immer auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände und den jeweiligen Einzelfall an, ob man eine Scheinselbständigkeit bejaht oder nicht. Allerdings ist festzustellen, dass ein Schwerpunkt bei der Prüfung die Frage ist, ob der Betreffende unternehmerische Gestaltungsfreiheit hat und ein Unternehmerrisiko übernommen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, wird schnell eine Scheinselbständigkeit festgestellt.

Dies hat erhebliche Konsequenzen für den betreffenden Unternehmer: Zum einen kann er, je nachdem, wie lange das Beschäftigungsverhältnis bestanden hat, unter Umständen die Sozialversicherungsbeiträge mehrerer Jahre in allen Zweigen der Sozialversicherung nachentrichten, und zwar in der Regel sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmeranteile. Ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer ist nur sehr eingeschränkt möglich, da dies nur durch Abzug vom Lohn erlaubt ist und gemäß § 28 g Satz 3 SGB IV ein unterbliebener Abzug in der Regel nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden darf.

Wenn man also berücksichtigt, dass die Sozialversicherungspflicht grundsätzlich bereits mit der Aufnahme der Beschäftigung beginnt, werden hier erhebliche Beträge auflaufen (können), die der Arbeitgeber an die Sozialversicherung nachentrichten muss, wobei außerdem noch entsprechende Säumniszuschläge zu berücksichtigen sein werden. Darüber hinaus ist die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen auch strafbar.

Zudem droht weiteres Ungemach durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Denn der EuGH hat mit Urteil vom 29.11.2017 – C 214/16 – hinsichtlich eines vermeintlich Selbstständigen, der vom 01.06.1999 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand am 06.10.2012 auf der Basis eines „Selbständigen-Vertrages ausschließlich gegen Provision“ tätig war und dementsprechend für von ihm genommenen Urlaub auch keine Bezahlung erhalten hat, ausgeführt, dass der Betreffende tatsächlich als Arbeitnehmer anzusehen sei.

Es sei den Mitgliedsstaaten aber weder erlaubt, die Entstehung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub auszuschließen, noch vorzusehen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines an der Ausübung dieses Anspruchs gehinderten Arbeitnehmers nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums erlischt. Wenn ein Arbeitnehmer aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zu nehmen, habe er einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, die in der Weise zu berechnen sei, dass der Arbeitnehmer so gestellt werde, als hätte er den Urlaubsanspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.

Hierbei sei es unerheblich, ob der Arbeitgeber irrtümlich davon ausgegangen sei, dass der betreffende „Scheinselbständige“ keinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub habe. Ebenso sei es irrelevant, ob der „Scheinselbständige“ im Laufe der Jahre bezahlten Jahresurlaub beantragt habe oder nicht. Vielmehr habe der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetze, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, die sich hieraus ergebenden Folgen zu tragen.

Das heißt, dass nach Ansicht des EuGH ein Scheinselbständiger, der tatsächlich aber Arbeitnehmer ist, die Möglichkeit hat, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinander folgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht genommen worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln.

Dies und die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann – insbesondere wenn mehrere Scheinselbständige beschäftigt werden und dies bekannt wird – durchaus bis hin zur Insolvenz des Unternehmens führen.

Fazit: Da sich die vermeintlich eingesparten Kosten in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge und wie man an Hand der aktuellen Rechtsprechung des EuGH sieht, auch hinsichtlich des bezahlten Urlaubs, schnell als Bumerang erweisen können – mit existenzbedrohendem Ausmaß für den Unternehmer –, empfiehlt es sich, direkt zu Anfang des Beschäftigungsverhältnisses ein Anfrageverfahren zur Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einzuleiten, um im Nachhinein keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.

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