Freiberufler achten in der Regel sehr darauf, nicht durch irgendeine Maßnahme ihre freiberuflichen – und damit nicht der Gewerbesteuer unterliegenden – Einkünfte gewerblich zu infizieren. So gilt es insbesondere, stets den „Stempel der eigenen Persönlichkeit“ auf den angebotenen Leistungen sicherzustellen, indem jede am Markt angebotene Dienstleistung vom Steuerpflichtigen eigenverantwortlich und leitend – wenn auch delegiert – erbracht wird. Ein Übermaß an Delegation gefährdet die steuerliche Selbständigkeit und qualifiziert die Einkünfte des Steuerpflichtigen als solche aus Gewerbebetrieb.
Einen neuen Fallstrick der gewerblichen Infektion hat die Entscheidung des BFH vom 03.11.2015 aufgezeigt: Die Beteiligung an einer freiberuflichen Praxis durch eine so genannte Null-Beteiligung.
In dem entschiedenen Fall hatte sich eine junge Ärztin an einer Berufsausübungsgemeinschaft zweier erfahrener Kollegen (GbR) gesellschaftsrechtlich beteiligt, allerdings mit der Absprache, dass sie anfangs keine vermögensrechtliche Beteiligung halten solle und zudem ihre Gewinnbeteiligung darin bestand, dass sie einen gewissen Prozentsatz des von ihr erwirtschafteten Umsatzes als Gewinn zugewiesen bekam, während der Rest zur Kostendeckung der Berufsausübungsgemeinschaft zu verwenden war. Eine Regelung, wie sie nicht selten zu finden ist und wirtschaftlich Sinn macht.
Die Beteiligten gingen davon aus, dass sie allesamt freiberufliche Einkünfte aus der Berufsausübungsgemeinschaft erzielen, also aus der so genannten Mitunternehmerschaft, da sie alle die Qualifikation eines Freiberuflers hatten und an der Berufsausübungsgemeinschaft beteiligt waren. Nicht so aber der BFH:
Der BFH stellt fest, dass aufgrund der getroffenen Abreden die junge Kollegin keine Mitunternehmerin im einkommensteuerlichen Sinne geworden sei, da ihr insbesondere das Mitunternehmerrisiko fehle. Sie sei an stillen Reserven nicht beteiligt, was insbesondere Ausdruck der mitunternehmerischen Chance sei. Zugleich sei in der Gewinnabrede keine Beteiligung an Verlusten vorgesehen. Alleine die gesellschaftsrechtliche Vollhaftung, die mit der GbR einhergeht, sei nicht ausreichend, um das Mitunternehmerrisiko zu begründen.
Die Rechtsfolge ist katastrophal: Zwar erziele die junge Kollegin „als steuerliche Einzelkämpferin (!)“ freiberufliche Einkünfte in Höhe des zugesagten Prozentsatzes ihrer erzielten Umsätze. Die Berufsausübungsgemeinschaft (und damit die beiden erfahrenen Kollegen!) allerdings erziele mit den von der jungen Kollegin abgeleiteten Umsätzen keine freiberuflichen Einkünfte, weil die eigenverantwortliche und leitende Führung nicht sichergestellt sei. Die junge Kollegin sei eben einkommensteuerlich selbständig und nicht Teil der Mitunternehmerschaft. Aufgrund dieses Mangels seien die Einkünfte der anderen Gesellschafter gewerblich zu qualifizieren.
Zu ihren eigenen freiberuflichen Einkünften hatten die Mitunternehmer der Berufsausübungsgemeinschaft folglich auch gewerbliche Einkünfte erzielt, was nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu einer Infektion der gesamten Einkünfte der Mitunternehmerschaft führte, weil die Grenzen von 3 % des Umsatzes oder nominal 24.500,00 EUR pro Veranlagungszeitraum überschritten wurden. Die beiden Seniorpartner mussten folglich ihre gesamten Einkünfte gewerbesteuerlich nachbelasten.
Hinzu kommen möglicherweise Probleme aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht (Stichwort: Scheinselbständigkeit der jungen Kollegin) und zulassungsrechtliche Bedenken (keine Vertragsarztzulassung für die junge Kollegin).
Zwingend sollten bestehende Vertragskonstellationen auf die neue Entscheidung des BFH hin überprüft und Neugestaltungen an die aktuelle Rechtsprechung angepasst werden.