Dass die Rechtsverhältnisse zwischen dem Staat und dem Bürger viele Facetten des formal juristischen aber auch das tatsächlichen Lebens betreffen, erfährt das Verwaltungsgericht, das für diese öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich zuständig ist, tagtäglich.
Im nachfolgenden Fall, der es durchaus auch bis in die lokale Presse geschafft hat, ging es um den nicht ganz so seltenen Sachverhalt, dass ein Bürger mit dem Straßennamen, dem sein Domizil zugeordnet ist, nicht einverstanden war.
Oftmals rühren solche Konflikte aus einem geänderten Zeitverständnis her und beispielsweise früher geachtete Herrschaften werden von den Bürgern des 21. Jahrhunderts in der Retroperspektive für ihre Taten nicht mehr ganz so hoch gehandelt, wie dies früher einmal der Fall gewesen ist. Verständlich, dass bei besonders bedeutsamen Fällen Anwohner in ihrem täglichen Leben nicht mit der entsprechenden Person in Verbindung gebracht werden wollen. Verständlich aber auch, dass die Verwaltung ein Interesse an Rechtsklarheit hat und nicht bloß aufgrund von persönlichen Empfindungen ständig Straßennamen abändern kann. An der Stetigkeit von Straßennamen haben aber auch im Regelfalle die weiteren Anwohner großes Interesse, wie sich in manchem Rechtsstreit schon gezeigt hat, wenn besagte weitere Anlieger große Unternehmen waren, die im Falle einer Namensänderung – gerade in früheren Tagen aufwändige – umfangreiche korrespondenzbezogene Änderungen betreiben müssten.
Im vorliegenden Fall des Verwaltungsgerichts in Köln (Urteil vom 03.03.2016 – AZ.: 20 K 3900/14) hatte eine Kölnerin im Rahmen eines Neubauprojektes Grundbesitz erworben. Zum Zeitpunkt des Erwerbs stand nicht nur ihr Haus noch nicht auf dem Grundstück, sondern es existierten auch noch keine Straße und noch kein Straßenname. Für das Grundstück und die Straße sorgte die Baufirma, soweit so gut, für den Straßennamen jedoch die Bezirksvertretung. Diese orientierte sich am Namen, der dem Projekt bereits in der Planungsphase zugedacht wurde und benannte die neue Straße „Am Lusthaus“.
Dieser Straßenname passte der Klägerin nun nicht, da sie befürchtete, ihre Person selbst würde aufgrund des Straßennamens mit etwas Anstößigem und Zweideutigem in Verbindung gebracht werden.
Die Klägerin äußerte ihre Bedenken wie folgt: „Wenn ich meinen Bekannten erzähle, dass ich in der Straße Am Lusthaus wohne, kommt beispielsweise die Frage zurück: Ist die Straße auch verkehrsberuhigt?“. Der Anwalt der Klägerin beschrieb es so: „Der Weg vom Lusthaus zum horizontalen Gewerbe ist kurz“.
Vor dem Verwaltungsgericht war der Klägerin jedoch kein Erfolg beschieden. Das Gericht urteilte sachlich und bestätigte, dass der Straßenname womöglich unglücklich gewählt sei, das Verfahren zur Straßenbenennung aber im Übrigen formaljuristisch ordnungsgemäß durchgeführt worden war und keine Anzeichen dafür bestünden, dass in der Straßenbenennung die Grenze zur „Anstößigkeit“ überschritten worden wäre.
Tatsächlich gab es nämlich in der unmittelbaren Umgebung dereinst ein so genanntes „Lustschloss“ oder auch „Lusthaus“ (vom französischen „Maison de Plaisance“), wie es früher von dem Adel unterhalten worden war. Zwar zogen sich hier die hohen Herrschaften teils auch zurück, um sich mit „geliebten Personen“ zu treffen, Lusthäuser waren aber daneben auch allgemein ein Rückzugsgebiet vom Trubel der Stadt und ein Ort, um sich in den damals hoch gehaltenen Künsten aller Art zu üben und diese zu genießen, also zur „Verlustierung“.
Die Bezirksvertretung hatte also ihren Ermessensspielraum, der ihr bei der Namenswahl grundsätzlich zusteht, nicht übertreten und auch das Verfahren war ordnungsgemäß, weshalb die Klage abgewiesen wurde.
Ein Gutes hat es letztlich doch für die Klägerin:
Sie wird sicher seltener gefragt: „Wo wohnst Du nochmal?“