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Achtung Online-Händler – Neues Verbraucherrecht kommt! Teil 2

 3.

Viele Neuerungen, die im Zuge der Vereinheitlichung des Geschäftsverkehrs mit Verbrauchern in Europa vom Gesetzgeber eingeführt werden, betreffen das Widerrufsrecht. Hier ist zunächst festzuhalten, dass die bisherige Möglichkeit für den Unternehmer, dem Kunden statt eines Widerrufsrechts ein Rückgaberecht einzuräumen, mit Wirkung zum 13.06.2014 entfällt. Es gibt also nur noch die Widerrufsmöglichkeit. Der Widerruf muss auch ausdrücklich erklärt werden, so dass es also zukünftig nicht mehr reichen wird, wenn der Verbraucher die Ware einfach nur zurückschickt (was bisher möglich war).

Für die Widerrufserklärung stellt das Gesetz dem Unternehmer/Verbraucher eine Musterwiderrufserklärung zur Verfügung, die der Unternehmer auf seiner Internetseite im Rahmen seiner Informationspflichten zur Verwendung durch den Kunden vorhalten muss, da er auf diese in Form der Anlage 2 zum EGBGB zwingend hinzuweisen hat. Dem Kunden muss dieses Muster vom Unternehmer auch auf dauerhaftem Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Bereitet der Unternehmer selbst für seine Kunden die Musterwiderrufserklärung vor, die dieser dann nur ausfüllen müsste, hat er dem Verbraucher unverzüglich nach deren Eingang eine Eingangsbestätigung zukommen zu lassen (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Für den Widerruf selbst stellt das Gesetz eine vereinheitlichte Musterwiderrufsbelehrung zur Verfügung, die ähnlich aufgebaut ist, wie die bisherigen Muster.

D.h., dass der Unternehmer selbst das Muster mittels Bausteinen komplettieren muss, je nachdem, welche Ware/Dienstleistung er anbietet. Das Problem bei der Bausteinlösung ist, dass der Unternehmer nur jeweils einen Baustein verwenden kann, was aber in vielen Fällen nicht ausreichen wird: Denn bereits die Widerrufsfrist beginnt unterschiedlich, je nachdem, ob der Unternehmer z. B. im Rahmen einer einheitlichen Bestellung nur eine Ware versendet, oder aber mehrere Waren zeitlich gestaffelt. Hier empfiehlt es sich, im Zweifel auf Baustein 1c), betreffend die Widerrufsfrist, zurück zu greifen, der wohl nach Literaturmeinung die meisten Fälle abdeckt, die im Online-Handel vorkommen könnten. Eine Unsicherheit verbleibt allerdings.

Ungeachtet dieser vom Gesetzgeber hausgemachten Probleme empfiehlt sich in jedem Fall, die Musterwiderrufsbelehrung zu verwenden und nicht eigenmächtig abzuändern. Das kann man zwar tun, der Unternehmer kann sich dann aber nicht mehr auf die Gesetzesprivilegierung berufen, die nämlich nur dann gilt, wenn die Musterwiderrufsbelehrung (einschließlich etwaiger Bausteine) wortgetreu (inklusive ihrer Überschriften) übernommen und dem Verbraucher „zutreffend ausgefüllt“ in Textform übermittelt worden ist.

Der Unternehmer wird also zukünftig in einer Art Zwiespalt stehen, ob er die Musterwiderrufsbelehrung mit entsprechendem Baustein benutzt, und deswegen womöglich einen Fehler begeht, weil seine Vertriebsart nicht oder nur teilweise erfasst sein könnte, oder aber ob er seine Musterwiderrufsbelehrung auf die individuellen Vorgänge anpasst und deshalb das Risiko eingeht, sich nicht mehr auf die Gesetzesprivilegierung berufen zu können. Ein unbefriedigendes Ergebnis, welches aber möglicherweise durch verschiedene Widerrufsbelehrungen, je nach technischer Ausgestaltung der Internetseite, gelöst werden kann. Das wird die Praxis zeigen.

Jedenfalls gilt, dass bei ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerrufsrecht, die nach dem Gesetz nicht nur vor der Bestellung seitens des Kunden erfolgen muss, sondern auch (im Laufe der Vertragsbeziehung, etwa bei Vertragsschluss, spätestens aber bei Lieferung der Ware/vor Ausführung einer Dienstleistung) auf dauerhaftem Datenträger zu übermitteln ist, die Widerrufsfrist europaweit einheitlich 14 Tage beträgt. Es gibt also z.B. in Deutschland keine Unterscheidung mehr in die bisherige 14-tägige, einmonatige oder sechsmonatige Widerrufsfrist. Auch die unendliche Widerrufsfrist, die nach jetzigem Gesetz bei fehlerhafter oder nicht erfolgter Widerrufsbelehrung in Textform besteht, wird es zukünftig nicht mehr geben. Die Widerrufsfrist ist auf maximal 12 Monate und 14 Tage begrenzt.

Interessant ist, dass die Widerrufsfrist zumindest nach dem deutschen Gesetz (allerdings wohl im Widerspruch zur Verbraucherrechterichtlinie, daher womöglich angreifbar!) bereits dann zu laufen beginnt, wenn nur „flüchtig“ vorvertraglich über das Widerrufsrecht – ordnungsgemäß – belehrt worden ist. Das Gesetz sieht zwar die Übermittlung in Textform (dauerhafter Datenträger) an den Verbraucher vor, knüpft aber keine Sanktionen in Bezug auf die Widerrufsfrist daran, wenn die Regelung nicht eingehalten wird. Das gilt im Übrigen auch für die anderen Informationspflichten, die – jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut – auch nicht auf dauerhaftem Datenträger übermittelte Informationen sanktionslos stellen.

Allerdings geht die Literatur davon aus, dass bei fehlerhafter Handhabung des Gesetzes jedenfalls für den Verbraucher Anfechtungsrechte geschaffen werden, die im Ergebnis ebenfalls zu einer Rückabwicklung des Vertrags führen könnten, ungeachtet der gegebenen Abmahngefahren. Nach den neuen gesetzlichen Regelungen aber wird schuldrechtlich nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist keine Möglichkeit mehr für den Verbraucher bestehen, aus dem Vertrag herauszukommen, soweit die Widerrufsbelehrung als solche (auch ohne dauerhaft in Textform übermittelt worden zu sein) zutreffend gewesen ist.

Eine weitere wichtige Neuerung im Widerrufsrecht betrifft die Rücksendung der Ware bzw. die Folgen des Widerrufs: Zukünftig nämlich sieht das Gesetz vor, dass die Kosten der Rücksendung stets vom Verbraucher zu tragen sind, vorausgesetzt, er wird hierüber ordnungsgemäß belehrt. Die bisher in Deutschland übliche „40,00 EUR-Klausel“ (Verbraucher trägt die Kosten der Rücksendung nur bei Waren bis zu einem Wert von 40,00 EUR) wird es also nicht mehr geben. Unternehmer müssen ihre AGB entsprechend ändern!

Anzumerken bleibt außerdem, dass es auch bei der Rücksendung von Waren bestimmte Sonderregeln im Gesetz gibt, z.B., wenn der Unternehmer von vornherein angeboten hatte, die Waren abzuholen oder wenn die Waren bei AGV so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass der Unternehmer im Fernabsatz solche Kosten wiederum auf den Verbraucher abwälzen kann, vorausgesetzt, er hat diese „besonderen“ Kosten für die Rücksendung der Waren im Voraus ordnungsgemäß angegeben.

Natürlich bleibt es dem Unternehmer frei, auch weiterhin die Rücksendekosten zu übernehmen, was wahrscheinlich vor allen Dingen die großen Händler beibehalten werden. Das dürfte ein Wettbewerbsnachteil für die „kleinen“ Händler sein, die sich das nicht leisten können.

Die Hinsendekosten verbleiben im Fall des Widerrufs in jedem Fall beim Unternehmer. Er muss diese also an den Verbraucher erstatten. Das gilt nur insoweit nicht, als der Verbraucher besondere Versandarten gewählt hat, die Zusatzkosten ausgelöst haben. Diese trägt der Verbraucher auch im Fall des Widerrufs.

Was die Erstattung des Kaufpreises angeht, muss dies innerhalb von 14 Tagen nach Widerruf erfolgen, und zwar grundsätzlich in Form desselben Zahlungsmittels, das der Verbraucher bei seiner Zahlung verwendet hat. Allerdings hat der Unternehmer ein Rückzahlungsverweigerungsrecht, bis die Ware zurück ist oder der Verbraucher den Nachweis der Absendung der Ware erbracht hat.

Auch der Wertersatz im Fall des Widerrufs ist in § 357 Abs. 7 BGB geregelt. Wertersatz schuldet der Verbraucher nur dann, wenn er die Ware in einer über eine normale Prüfung der Funktionstauglichkeit und Beschaffenheit der Ware hinausgehenden Art und Weise genutzt hat. Auch hier ist Voraussetzung, dass der Verbraucher auf diese Folge im Rahmen der Widerrufsbelehrung vom Unternehmer hingewiesen worden ist.

Abschließend ist anzumerken, dass das Gesetz auch zahlreiche Ausnahmen vom Widerrufsrecht im AGV- und Fernabsatzbereich vorsieht. So ist beispielsweise aus Hygienegründen versiegelte Ware vom Widerruf ausgeschlossen, wenn sie entsiegelt worden ist. Das Widerrufsrecht erlischt zudem in weiteren, explizit aufgeführten Fallsituationen, insbesondere im Dienstleistungsbereich (§ 356 Abs. 4 und 5 BGB). Bemerkenswert ist, dass der Unternehmer den Verbraucher auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts und über solche Erlöschenstatbestände zu informieren hat, anderenfalls droht – neben Abmahnungen – jedenfalls eine Anfechtung des Vertrags.

Mit anderen Worten: Gerade in Bezug auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers sieht das neue Gesetz erhebliche und weitreichende Änderungen vor, die der Unternehmer bestmöglich und strikt dem Gesetz folgend zu beachten hat. Die bisher geltende Sanktion des „unendlichen Widerrufsrechts“ gibt es zwar im neuen Recht nicht mehr, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass Fehler bei der Widerrufsbelehrung zu schuldrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten des Verbrauchers führen können, einmal unbeschadet der stets nach Wettbewerbsrecht gegebenen Abmahngefahr, die durch falsche Belehrungen und fehlerhafte und unvollständige Erfüllung der Informationspflichten hervorgerufen wird.

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