Es ist bekannt, dass unmittelbar mit dem Zeitpunkt des Todes das gesamte Vermögen des Erblassers im Wege der sogenannten Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) auf dessen Erben übergeht. Der Erbe tritt also automatisch und ohne weiteres Zutun in sämtliche Rechtspositionen des Erblassers ein und übernimmt diese. Existieren mehrere Erben, so gelangen diese in der Regel in die Position von Miterben im Rahmen einer sogenannten Erbengemeinschaft.
Erbengemeinschaft als Rechtsinstitut
Die Erbengemeinschaft ist eine Zufallsgemeinschaft, die – anders als die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – keinen gemeinsamen Zweck verfolgt, sondern vielmehr ohne gemeinsamen Zweck gesamthänderisch das Vermögen des Erblassers aufnimmt, um irgendwann im Rahmen der Erbauseinandersetzung aufgelöst zu werden. Sie ist also von Anbeginn an auf Auseinandersetzung ausgerichtet, was sie als instabiles und gerade für Unternehmensvermögen riskantes Rechtsinstitut qualifiziert. Besondere Herausforderungen stellen sich insbesondere bei der Vererbung von Einzelunternehmen (vergleiche hierzu unseren Aufsatz „Das Einzelunternehmen in der Unternehmensnachfolge“).
Auch die Verwaltung der Erbengemeinschaft ist nicht banal, da das Gesetz grundsätzlich eine gemeinschaftliche Verwaltung des gesamthänderischen Vermögens vorschreibt, es sei denn, es handelt sich um ordentliche Verwaltungsmaßnahmen, die mit mehrheitlichem Beschluss der Erbengemeinschaft legitimiert und ausgeführt werden können. Bei notwendigen Maßnahmen zum Erhalt des Vermögens sind sogar Einzelmaßnahmen des einzelnen Miterben bindend für die übrigen Miterben. Wo aber genau die Grenze liegt, ist teilweise schwer zu ermitteln, weswegen die Verwaltung einer Erbengemeinschaft – nicht nur bei Unternehmensvermögen, sondern auch bei Immobilienvermögen – schwierig sein kann.
Ertragsteuerliche Behandlung
Losgelöst von der zivilrechtlichen Gesamthandsstruktur gelten für die Erbengemeinschaft Besonderheiten, die sich auch deutlich von einer gesamthänderischen Gesellschaft bürgerlichen Rechts abgrenzen. So gilt bei der Verwaltung von steuerlichem Privatvermögen (z. B. Immobilien) grundsätzlich die Bruchteilsbetrachtung mit der Folge, dass jeder Miterbe ertragsteuerlich so behandelt wird, als sei er unmittelbarer Bruchteilseigentümer der jeweiligen Ertragsquelle, also beispielsweise einer Immobilie, einer Gesellschaftsbeteiligung oder eines Fonds. Gemäß einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellung wird dem einzelnen Miterben in dieser Weise die quotale Beteiligung am Ergebnis der Einkunftsquelle zugerechnet. Bedeutsam ist, dass es keine Abfärbewirkung im Rahmen der Gemeinschaft gibt: § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG findet keine Anwendung, selbst wenn die Erbengemeinschaft im gesamthänderischen Vermögen nicht nur private Einkünfte erzielt, sondern zugleich auch gewerbliche Einkünfte (zum Beispiel durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage o. ä.).
Dies hat der BFH in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2023 jüngst noch einmal deutlich gemacht, und damit eine deutliche ertragsteuerliche Besonderheit zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgezeigt: Denn bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist schon eine geringfügige auch gewerbliche Tätigkeit, die über gewisse Schwellenwerte hinausgeht, schädlich für die gesamte Tätigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Folge, dass die im Übrigen grundsätzlich privaten Einkünfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgrund der Abfärbewirkung insgesamt zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert werden müssen (steuerliche Verstrickung des gesamten Vermögens!). Das ist gerade bei Immobilienstrukturen gefährlich.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat diese Grundsätze in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2023 aufgegriffen und noch einmal verdeutlicht. Eine Abfärbung komme für eine Erbengemeinschaft nicht in Betracht. Zugleich hat er – entgegen der Meinung des Finanzamtes – klargemacht, dass die Erbengemeinschaft nicht automatisch zu einer GbR wird (und damit der Abfärbung unterworfen wäre), selbst dann nicht, wenn steuerlich Erklärungen abgegeben würden namens einer GbR. Voraussetzung nämlich dafür, dass aus einer Erbengemeinschaft eine GbR wird, ist eine (Teil-) Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine GbR als neuer Rechtsträger (für Immobilien also beispielsweise die Umschreibung der Grundbücher auf die GbR). Ein Automatismus ist auch bei langer Bestandszeit der Erbengemeinschaft ausgeschlossen. Den Erben bliebe es also unbenommen, die Erbengemeinschaft auf unbestimmte Zeit fortzusetzen und beizubehalten, was u. E. vor dem voranstehenden Argument der Abfärbewirkung eine Gestaltungsoption sein kann. Alternativ dazu bietet es sich an, im Rahmen der Auseinandersetzung die gewerbliche Betätigung von den Gefahren der Abfärbewirkung auszugrenzen. Dies kann zum Beispiel durch Fortführung des Gewerbebetriebes in einer eigenen operativen Einheit gelingen, während das durch die Abfärbung gefährdete Vermögen getrennt in einer anderen operativen Einheit fortgeführt wird.
Fazit
Die Erbengemeinschaft ist also ein recht komplexes Rechtsinstitut, das es zu verstehen und zu handhaben gilt. Die ertragsteuerlichen Besonderheiten, insbesondere hinsichtlich der Abfärbewirkung, sind zu beachten und gegebenenfalls zu nutzen. Aufgrund ihrer Instabilität sollte allerdings bereits vorausschauend im Rahmen der Planung der Vermögensnachfolge Vorsorge getroffen werden, um die Erbengemeinschaft zu vermeiden oder aber klug zu gestalten. Ist die Erbengemeinschaft aber einmal entstanden, so sollte nach Wegen gesucht werden, die Erbengemeinschaft in geeignetere Rechtsinstitute zu überführen und nachhaltig beherrschbar zu machen.