Noch gilt im deutschen Erbschaftsteuerrecht, dass Übertragungen von Betriebsvermögenseinheiten grundsätzlich die Chance haben, als sogenanntes privilegierungsfähiges Vermögen erbschaft- und schenkungsteuerlich in erheblichem Umfang verschont zu werden. So kann solch grundsätzlich privilegierungsfähiges Vermögen, das über verschiedene Berechnungsschritte letztlich auch als tatsächlich privilegiertes Vermögen qualifiziert werden kann, zu 85 % steuerfrei übertragen werden, im Falle der Vollverschonung sogar zu 100 %.
Der Preis hierfür ist allerdings, dass in der Zeit nach der Schenkung/des Erbfalls das privilegierte Vermögen einer Nachbeobachtung unterworfen ist, während deren Lauf überprüft wird, ob das Vermögen fortgeführt wird (sog. Behaltensfrist), und die Lohnsummenregelung, so sie denn zur Anwendung kommt, eingehalten wurde.
Insolvenz als Nachbesteuerungstatbestand
Besonders prekär bei der Frage der Behaltensfrist ist der Umstand, dass selbst eine Insolvenz grundsätzlich als Betriebsaufgabe zu werten ist, und damit einen Verstoß gegen die Behaltensfrist darstellt. Gerade Corona hat gezeigt, dass nicht jede Insolvenz vermieden werden, sondern schlicht äußeren Umständen geschuldet sein kann. Soll dies dennoch erbschaftsteuerliche Nachteile nach sich ziehen? Der Gesetzgeber hat offenbar kein Problem damit. Nach seiner Wertung ist die Insolvenz grundsätzlich als Verstoß gegen die Behaltensfristen zu sehen, was sowohl die Finanzverwaltung als auch der BFH grundsätzlich bestätigen. So kommt im Insolvenzfalle zum Verlust des Vermögens noch hinzu, dass auf einen zurückliegenden Zeitpunkt, in dem möglicherweise die Werte des Unternehmens noch beachtlich waren, eine Erbschaftsteuer nachträglich festgesetzt wird, obwohl nichts mehr von diesem Wert vorhanden ist. Das schockt nicht nur den Beschenkten, sondern auch den Schenker: denn es sei erwähnt, dass Schuldner der Erbschaftsteuer neben dem Beschenkten auch der Schenker ist, was einen besonderen Beigeschmack hinterlassen dürfte.
Entscheidung des BFH
Nun hat der BFH in einer aktuellen Entscheidung entgegen die Finanzverwaltung klargestellt, dass die Insolvenzeröffnung bei Personen(handels)gesellschaften nicht automatisch zur Betriebsaufgabe im Sinne des §§ 13 a Abs. 6 ErbStG führt, und damit in diesem Zeitpunkt noch nicht automatisch eine schädliche Verwendung vorliegt. Er legte hier die ertragsteuerliche Bewertung zugrunde, dass im Falle der Insolvenzeröffnung einer Personen(handels)gesellschaft eben noch der Abwicklungszeitraum als ertragsteuerlicher Nachwirkungszeitraum die Annahme einer Betriebsaufgabe verhindert. Anders sei dies lediglich bei Kapitalgesellschaften, da bei ihnen aufgrund des § 17 Abs. 4 EStG die Insolvenz als Veräußerung gilt, und damit eine schädliche Verwendung Sinne des § 13 Abs. 6 ErbStG auslöst.
Fazit und Gestaltungsansatz
Der BFH hält grundsätzlich daran fest, dass die Insolvenzeröffnung ein schädlicher Verwendungsakt im Sinne der Betriebsvermögensprivilegierung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts sein kann. Allerdings differenziert er zwischen Personen(handels)gesellschaften und Kapitalgesellschaften. Lediglich bei Letzteren ist alleine die Insolvenzeröffnung der maßgebliche Zeitpunkt. Bei Personen(handels)gesellschaften kann dies regelmäßig ein späterer Zeitpunkt sein, der dann die ertragsteuerliche Betriebsaufgabe begründet, und damit erst dann zu einer schädlichen Verwendung des privilegiert erworbenen Vermögens führt. Hier besteht die Hoffnung, für Personen(handels)gesellschaften – und gegebenenfalls unter besonderen Umständen auch für die eine oder andere Kapitalgesellschaft – den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung/Betriebsaufgabe zeitlich hinauszuzögern, um aus etwaig laufenden Behaltensfristen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts hinauszukommen. Freilich sind insolvenzrechtliche Haftungsaspekte hierbei zu berücksichtigen, um nicht zwar Skylla zu entkommen, aber Charybdis zum Opfer zu fallen.