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Verfahrensrecht mal anders: Engarde!

Wer denkt, dass das steuerliche Verfahrensrecht nur für graue Mäuse ist, täuscht sich gewaltig: Häufig werden im Verfahrensrecht die wichtigen Schlachten gewonnen … oder eben verloren.

Ein mitreißendes Duell in „Musketier“-Manier lieferten sich kürzlich bis zum BFH das Finanzamt und ein Steuerberater, wobei es offensichtlich um das sportliche Prinzip, und nicht um den Streitwert ging. Das Verfahren betraf einen Verspätungszuschlag in Höhe von 880,00 EUR. Das Duell in elf Sätzen verlief wie folgt:

 

1.

Das Finanzamt forderte den Steuerpflichtigen auf, im Wege einer Vorweganforderung vor Ablauf der gesetzlichen Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung eine Einkommensteuererklärung abzugeben.

2.

Der Steuerpflichtige, der durch einen Steuerberater betreut wurde, ignorierte den Federhandschuh der Fristsetzung und gab seine Steuererklärung innerhalb der grundsätzlichen Frist zum 31.12. des Folgejahres (bei vom Steuerberater begleiteten Mandanten, andernfalls ist der 31.05. des Folgejahres maßgeblicher Abgabezeitpunkt!) ab.

3.

Das Finanzamt erließ den Bescheid erklärungsgemäß, zückte allerdings zugleich das Florett und erhob einen Verspätungszuschlag in Höhe von 880,00 EUR.

4.

In froher Erwartung des Wettstreits legte der Steuerberater Einspruch ein mit dem Hinweis darauf, dass der Steuerpflichtige innerhalb der zulässigen Frist die Steuererklärung abgegeben habe, insofern ein Verspätungszuschlag rechtswidrig sei.

5.

Die Waffen schlugen erstmalig krachend aufeinander, und im Staub der Attacke hielt das Finanzamt entgegen, dass die Frist aufgrund der Vorweganforderung vorverlagert sei. Und diese vorverlagerte Frist habe der Steuerpflichtige verpasst, weswegen ein Verspätungszuschlag gerechtfertigt sei.

6.

Wenig beeindruckt von dieser „cavation“ (Technik im Fechten) wandte der Steuerberater ein, die Vorweganforderung sei rechtswidrig gewesen, da ihr eine Begründung für die Auswahl gerade dieses Steuerpflichtigen für die Durchführung der Vorweganforderung fehle. Dem war auch tatsächlich so.

7.

Das Finanzamt konterte die geschickte „coupé“ mit dem Hinweis, dass der Einwand unerheblich sei, da auch die Vorweganforderung ein Verwaltungsakt sei, der mangels Einspruchs nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig werde, folglich seine Rechtswirkung umfassend entfalte.

8.

Unbeirrt von dieser „Finte“ legte der Steuerberater nach, indem er Einspruch gegen die Vorweganforderung einlegte, um so die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes feststellen zu lassen.

9.

Den Angriff erahnend, duckte sich die Finanzverwaltung unter dem Schlag hinweg und erwiderte gekonnt mit dem Hinweis darauf, dass der Einspruch verspätet sei. Die Frist für einen Rechtsbehelf betrage einen Monat und sei abgelaufen.

10.

Erneut die „Finte“ erkennend, setzte der Steuerberater zu seinem entscheidenden „Arretstoß“ an und wies darauf hin, dass dem Verwaltungsakt eine Rechtsbehelfsbelehrung fehle, weswegen die Rechtsbehelfsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Auch das war tatsächlich so. Touché!

11.

Strauchelnd versuchte die Finanzverwaltung, mit einem letzten Kraftakt der drohenden Niederlage Herr zu werden und verwies darauf, dass zwar tatsächlich der Einspruch gegen den Verwaltungsakt zulässig, ihr aber zugleich die Möglichkeit gegeben sei, die Begründung, die der Steuerberater bislang bemängelte, nachzuholen, was sie dann auch im Rahmen des Verfahrens tat.

 

 

Allerdings griff nun der Schiedsrichter in den Wettstreit ein: Der BFH (VIII R 52/14) ermahnte die Finanzverwaltung, dass das Nachschieben einer Begründung zwar grundsätzlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung in einem Rechtsstreit möglich sei, und so auch eine rechtswidrige Ermessensentscheidung geheilt werden könne. Dies sei aber dann nicht mehr möglich, wenn der Verwaltungsakt sich bereits zu diesem Zeitpunkt erledigt habe.

Mit Abgabe der Steuererklärung habe sich die Vorweganforderung erledigt, so dass nun ein Nachschieben von Gründen diesen bis dahin rechtswidrigen Verwaltungsakt nicht mehr heilen könne.

Entwaffnet, schweißgebadet und vom Kampf gezeichnet musste das Finanzamt das Feld räumen. Das formale Florett des Steuerberaters sicherte dem Steuerpflichtigen den Sieg in diesem spannenden Wettstreit. Freuen wir uns auf eine Revanche, die sicher kommen wird.

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