Die Frage stellt sich, wenn man bedenkt, dass die Presse die Meinung publiziert hat, dass doch nur hoch wertvolle Unternehmen jenseits der Größenordnung von 26 Mio. EUR Unternehmenswert laut Bundesverfassungsgericht durch eine Reduzierung der Begünstigungen, wie sie im alten Erbschaftsteuerrecht vorgesehen war, betroffen wären, wobei Unternehmen, wertvoller als 90 Mio. EUR, überhaupt nicht mehr begünstigt würden.
Das haben die Politiker abgenickt! Das haben die Wähler verstanden. Das klingt gut, dass die „Reichen“ nicht länger verwöhnt werden! Aber ob sie die Details der Änderungen auch tatsächlich verstanden haben, darf bezweifelt werden!
Zunächst könnte man ja meinen, dass also für Unternehmen bis zu einem Wert von 26 Mio. EUR „alles beim Alten“ geblieben wäre: Solche könnten die Regelverschonung in Anspruch nehmen, also nur 15 % des Unternehmenswertes der Erbschaftsteuer unterwerfen, oder sogar die Null-Option wählen und gänzlich erbschaftsteuerfrei bleiben.
Da der Gesetzgeber jetzt sogar den Kapitalisierungsfaktor auf ein realistisches Maß von 13,75 reduziert und festgeschrieben hat, erreicht man die Schwelle zum „wirklich reichen“ Unternehmen jenseits der 26 Mio. EUR erst ab einem durchschnittlichen Gewinn von mehr als 1,89 Mio. EUR. Das erzielt der „kleine“ Mittelständler regelmäßig nicht. Insofern meint die Masse der Mittelständler, sie könne sich zurücklegen und brauche sich keine Sorgen zu machen.
Leider ist das nicht so einfach, wie es klingt: Denn der Gesetzgeber hat eine Schwelle eingebaut, deren Bedeutung man nur schwer erkennt:
Er schreibt nämlich, dass ein Unternehmen insgesamt nicht mehr begünstigungsfähig sei, wenn 90 % des Unternehmenswertes aus Verwaltungsvermögen bestünden, welches gerade nicht dem Unternehmen unmittelbar zu dienen bestimmt ist.
Im alten Recht entfiel die Begünstigung schon bei Überschreiten einer Schwelle von 50 % des Unternehmenswertes, so dass man meinen könnte, die Anhebung der Schwelle auf 90 % sei geradezu großzügig!
Aber Vorsicht! Diese Schwelle von 90 % hat es in sich! Denn sie wird anders berechnet als bislang der Schwellenwert des Verwaltungsvermögens berechnet wurde!
Nehmen wir folgenden Fall, der im „kleinen“ Mittelstand sicherlich eher vorkommt als Fälle, in denen das Unternehmensvermögen durch größere Gewinne als 1,89 Mio. EUR geprägt ist. Nehmen wir ein Handelsgeschäft, das nur 80 TEUR im Jahr als Gewinn erwirtschaftet. Das ist sicher nicht die Ausnahme, vielleicht auch nicht die Regel eines kleinen Mittelstandsunternehmens, aber sicherlich ein häufig auftretendes Gewinnergebnis:
Hier muss man insbesondere sehen, dass ja der gewiefte Unternehmer viel Wert darauf legt, gerade keine allzu hohen Gewinne auszuweisen, damit er ertragsteuerlich geschont bleibt.
Erwirtschaftet der Unternehmer im Durchschnitt 80 TEUR Jahresgewinn, so hat das Unternehmen einen Wert von (80 mal 13,75 =) 1.1 TEUR. Sicher kein großes Unternehmen, aber, wenn seine Übertragung in der Familie unbegünstigt zu versteuern wäre, würde es teuer werden: Es löste (ungeachtet der Freibeträge) eine Größenordnung von 210 TEUR an Erbschaftsteuer aus.
Das zu bezahlen, ist für ein Unternehmen mit 80 TEUR Jahresgewinn eine echte Herausforderung!
Denn wer soll diese Nettobelastung an Schulden denn finanzieren? Eine Bank wird sich kaum bereitfinden, weil der Gewinn von 80 TEUR gerade ausreicht, dem Unternehmen nach Steuern ca. 40 TEUR zu belassen, was für Reinvestitionen und Unterhalt der Unternehmerfamilie ausreichen muss. Da ist kein Raum mehr, um (zusätzlich) noch eine (allenfalls mittelfristig) kreditierte Erbschaftsteuerschuld zurückzuzahlen
Selbst wenn ein Kredit über 10 Jahre gewährt würde, kostet er doch immerhin pro Jahr selbst bei günstigem Zinsstand ca. 24 TEUR netto, die dem Unternehmen und dem Unternehmer für Reinvestitionen und Lebensführung zusätzlich fehlen würden! Die Finanzierung selbst dieser „relativ kleinen“ Erbschaftsteuer ist ersichtlich kaum zu meistern!
Aber das Problem stellt sich nach neuem Recht noch schärfer!
Die Bilanz des Unternehmens mag wie folgt aussehen:
Aktiva |
Passiva |
|||
Maschinen |
500 TEUR |
EK |
800 TEUR |
|
Forderungen LuL |
1. 200 TEUR |
Fremdkapital |
1.000 TEUR |
|
Wertpapiere |
100 TEUR |
|||
1. 800 TEUR |
1.800 TEUR |
Bei diesem schlichten Bilanzbild des kleinen Unternehmens würde man zunächst einmal annehmen, dass eine Erbschaftsteuerbelastung wohl gar nicht entstünde: Denn Betriebsvermögen ist ja begünstigungsfähig, so heißt es zu Recht im Ausgangspunkt.
Wenn man aber bedenkt, dass weder die Wertpapiere noch die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die sich ja immerhin auf 1,3 Mio. EUR in Summe belaufen, begünstigungsfähiges Vermögen sind, sondern „schädliches“ Verwaltungsvermögen darstellen, erkennt man auf einmal, dass dieses Unternehmen 118 % Verwaltungsvermögen ausweist! (Wertpapiere plus Forderungen = 1,3 Mio. dividiert durch Unternehmenswert 1,1 Mio. = 118 %)
Wir haben auf einmal, ohne es überhaupt befürchtet zu haben, mehr Verwaltungsvermögen als 90 %! Das hätte prima vista keiner für möglich gehalten!
Die Konsequenz ist, dass der gesamte Unternehmenswert ohne Freibeträge ungemildert versteuert werden muss! Das kostet 210 TEUR Erbschaftsteuern!
Man kann sicherlich bezweifeln, ob das einem der Politiker, sei er Rot, Grün oder Schwarz, überhaupt bewusst geworden ist, als er das neue Gesetz abnickte: Es liegt näher anzunehmen, dass die Herrschaften sich mit den Spezifika des Steuerrechts nicht abgegeben haben, sondern der Finanzverwaltung praktisch auf dem Leim krochen, als diese sagte, im Gegensatz zu früher, wo bereits die niedrigere Schwelle von mehr als 50 % Verwaltungsvermögen zur Versagung der Begünstigung führte, seien im neuen Recht erst 90 % ein Versagungsgrund.
Eine glatte Fehlvorstellung, die den kleinen Mittelstand arg treffen wird!
Nach altem Recht konnte man fast ungeprüft einem derart kleinen Unternehmen Hoffnung machen, dass die Erbschaftsteuer nahe null sein werde, denn Betriebsvermögen von 1 Mio. EUR war regelmäßig nur mit 15 % zu erfassen, was wiederum durch den sogenannten Abzugsbetrag von 150 TEUR auf Null gemindert wurde, sodass gar keine Steuer entstand.
Jetzt auf einmal muss ein kleines Unternehmen von nur 1,1 Mio. Wert mit einer Erbschaftsteuerbelastung von mehr als 200 TEUR rechnen! Obwohl ihm sicher nicht bewusst ist, dass es überhaupt Verwaltungsvermögen hätte! Denn welcher Händler weiß denn schon, dass seine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen insoweit „schädliches“ Vermögen sind?
Bekannt war, dass fremd vermietete Grundstücke nicht begünstigungsfähig waren, dass Kunstgegenstände etc. Wertpapiere und sogar vorhandene Überliquidität als schädliches Verwaltungsvermögen gegolten haben: Schon die Gesetzesergänzung vom 26.06.2013, wonach Forderungen aus Lieferung und Leistung erstmalig disqualifiziert wurden, wenn sie eine bestimmte Höhe überschritten, barg für das typische Handelsunternehmen eine echte Überlebensgefahr bei der Nachfolge:
Was kann der „kleine“ Unternehmer heute tun?
Hätte er mehr Gewinne gemacht, wäre sein Ertragswert höher, somit läge die 90 %-Schwelle für das schädliche Verwaltungsvermögen ebenfalls höher.
War der zu beurteilende Betrieb eine GmbH, hätte vielleicht das Geschäftsführergehalt einschließlich variabler Bezüge geringer vereinbart werden können, was den Gewinn des Unternehmens erhöht hätte. Nutzt dieses Unternehmen ein familieneigenes Grundstück als Standort, könnte die Miete gesenkt werden, um den Gewinn des Unternehmens zu erhöhen und so einen höheren Ertragswert zu schaffen, wodurch die Schädlichkeitsquote von 90 % unterschritten werden kann.
In jedem Fall empfehlen wir, nicht nach dem schlichten vereinfachten Ertragswertverfahren, wie die Finanzverwaltung rechnet, vorzugehen, sondern in den entscheidenden Fällen einen Gutachter zu beauftragen, dem das Problem bekannt ist! Der kann individuell das Unternehmen bewerten! Es ist schon sehr befremdend, dass auf einmal die Erbschaftsteuer maßstäblich dafür wird, dass kleine Unternehmen nicht mehr vorsichtig bilanzieren, sondern Gewinne ausweisen müssten, die sie nie erwirtschaftet haben, um einer ruinösen Erbschaftsteuerbelastung bei der Nachfolge zu entgehen!