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Weisungen bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Der Geschäftsführer in der Krise

Die Geschäftsführerposition bei der GmbH ist eine zwiespältige Sache. Einerseits lenkt der Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft und hat insbesondere als Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber den anderen Gesellschaftern erhebliches Lenkungspotenzial (Einladungen zu den Gesellschafterversammlungen, ,,gefilterte“ Informationsweitergabe, konkrete Umsetzung der Unternehmensstrategie etc.). Zum anderen zahlt er für diese Freiheiten und Möglichkeiten mit einer nicht unbeträchtlichen Haftungsgefährdung. Dies gilt insbesondere im Rahmen des § 64 GmbHG und der hieraus entspringenden Ersatzpflicht bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nach § 15 InsO.

Bekanntermaßen besteht für den Geschäftsführer der GmbH eine Insolvenzantragspflicht, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist.

Ein Antragsrecht besteht bei drohender Zahlungsunfähigkeit.

Der Geschäftsführer befindet sich hierbei, also bei der Ausübung dieses Rechts in einem Dilemma. Das OLG München hat diesbezüglich mit Urteil vom 21.03.2013 (Az. 23 U 3344/12) entschieden, dass die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Geschäftsführer aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit ohne Genehmigung der Gesellschafter zur persönlichen Haftung des Geschäftsführer führen kann. Da aber gleichzeitig die Abgrenzung zwischen drohender und tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit sehr schwer zu ziehen und fließend ist, sieht sich der Geschäftsführer der Gefahr ausgesetzt, aufgrund eines zu spät gestellten Insolvenzantrags persönlich zu haften.

Eine mögliche Reaktion des Geschäftsführers auf diese ,,Haftungsfalle“ spiegelt der nachfolgend vom LG München am 22.05.2015 (Az. 14 HKO 867/14) – noch nicht rechtskräftig – entschiedene Fall wieder:

Die Klägerin war eine von mehreren Geschäftsführern einer GmbH. Diese befand sich seit Jahren in defizitären Geschäften und in fortlaufenden Sanierungsbemühungen. Die Geschäftsführung berichtete im Herbst 2013 an die Gesellschafter, dass eine notwendige Zahlung (unter Beihilfe-rechtlichen Aspekten) kritisch zu beurteilen sei und nicht mehr erfolgen dürfe, weshalb die Insolvenz voraussichtlich im Frühjahr 2014 eintreten werde.

Die einzige Gesellschafterin antwortete hierauf, dass ein Insolvenzantrag wegen tatsächlicher Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unbegründet sei und deshalb keine Insolvenzantragspflicht bestehe. Eine Zustimmung zur Antragstellung aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit werde von der Gesellschafterin nicht erteilt. Eine solche sei aber zur Antragstellung erforderlich. Weiterhin wurden die Geschäftsführer angewiesen, für alle wirtschaftlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Sanierung zukünftig die schriftliche Einwilligung der Gesellschafterin einzuholen.

In der Folge forderte die Geschäftsführerin von der Gesellschafterin (!) eine Haftungsfreistellung von jeglicher persönlichen Haftung, solange ihre Geschäftsführungskompetenzen eingeschränkt seien. Die Gesellschafterin antwortete hierauf nicht.

Daraufhin legte die Geschäftsführerin ihr Geschäftsführeramt nieder, wobei sie auch darauf verwies, dass ihr Anstellungsvertrag hiervon unberührt bleibe.

Die GmbH kündigte in Reaktion hierauf den Anstellungsvertrag fristlos aus wichtigem Grund, hilfsweise ordentlich.

Die Geschäftsführerin verklagte die Gesellschaft auf Zahlung der ihr zustehenden Geschäftsführervergütung zwischen dem Zeitraum der fristlosen Kündigung und dem Auslaufen der ordentlichen Kündigungsfrist.

Das LG München entschied wie folgt:

Die Gesellschaft sei zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Die Gesellschaft habe den Anstellungsvertrag nicht aus wichtigem Grund kündigen können, da die Amtsniederlegung der Geschäftsführerin gerechtfertigt gewesen sei. Weil nämlich die Gesellschafterin die Haftungsfreistellung verweigerte, obwohl die Geschäftsführerin hierauf einen Anspruch gehabt habe, habe die Geschäftsführerin ihr Amt rechtmäßig niederlegen dürfen.

Weil nämlich eine drohende Zahlungsunfähigkeit sehr schnell in eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit umschlagen könne, entstünden durch die Weisung der Gesellschafterin, den Antrag aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit nicht stellen zu dürfen, besondere Haftungsrisiken, die die Geschäftsführerin persönlich träfen (§ 64 Satz 1 GmbHG). Diese Risiken seien von der im Streitfall bestehenden D&O-Versicherung nicht ausreichend abdeckt, da diese für wissentliche bzw. grob fahrlässige Pflichtverletzung keinen Versicherungsschutz böte. Wenn die Geschäftsführerin von der Gesellschafterin bezogen auf diese erhöhten Haftungsgefahren nicht freigestellt werde, sei es ihr nicht mehr zuzumuten, ihr Amt unter diesen Beschränkungen auszuführen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des LG München von der obergerichtlichen Rechtsprechung bestätigt werden wird. Sie verdeutlicht aber in jedem Falle die Gratwanderung des Geschäftsführers zwischen verfrühter und verspäteter Antragstellung, zumal die Gesellschafter einem Insolvenzantrag aufgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit zustimmen müssen. Ob die aus Weisungen der Gesellschafter entstehenden Gefahren durch einen Anspruch auf Haftungsfreistellung gegenüber diesen (!) zu mildern sind oder aber bereits die Weisung der Gesellschafter selbst einen Grund zur Amtsniederlegung darstellt – ohne darüber hinaus zu einem Anspruch auf Haftungsfreistellung zu führen – bleibt fraglich.

Jedenfalls kann die Amtsniederlegung für den nicht Alleingeschäftsführer im Einzelfall eine adäquate Handlung darstellen, um der Haftung aus § 64 GmbHG zu entgehen. Vorsicht dürfte jedoch geboten sein, wenn es sich um den einzigen Geschäftsführer handelt, da die Amtsniederlegung zur Unzeit haftungsrechtlich gleichfalls problematisch ist, wenn die Gesellschaft durch die Amtsniederlegung handlungsunfähig wird.

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