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Die neue Erbschaftsteuer – erste Eckpunkte des BMF

In einer der letzten News unserer Kanzlei hatten wir vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 in Sachen Erbschaftsteuer berichtet. Danach hatte das Gericht Teile des Erbschaftsteuergesetzes, namentlich betreffend die so genannte Verschonung von Betriebsvermögen im Fall dessen unentgeltlicher Übertragung, für mit dem Grundgesetz unvereinbar wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatzes erklärt. Die insoweit beanstandeten Regelungen, die für eine Übergangszeit noch fortgelten, erfassen in erster Linie die Behandlung und die Gewichtung des sogenannten Verwaltungsvermögens (also des nicht operativen, damit prinzipiell nicht begünstigungsfähigen Vermögens eines Betriebs), die Lohnsummenvorgaben zum Erhalt der Betriebsvermögensprivilegierung und die Abgrenzung zwischen klassisch familiengeführten kleinen und mittelständischen Unternehmen einerseits sowie Großunternehmen andererseits. Das Bundesverfassungsgerichts sah es beispielsweise gerade hinsichtlich letztgenannter Unternehmen, die nach derzeit geltender Rechtslage trotz vielfach enormer Werte mehr oder weniger erbschaftsteuerfrei übertragen werden können, als verfassungsrechtlich geboten an, die Privilegierung nur nach Vornahme einer sogenannten „Bedürfnisprüfung“ zu gewähren.

Nun hat die Politik die Gedanken des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen und in einem ersten Eckpunktepapier dargelegt, wie sie sich das künftige Erbschaftsteuerrecht vorstellen könnte. Diese Überlegungen weichen erheblich verschärfend von den verfassungsrechtlichen Ausgangsprämissen ab. Werden diese Überlegungen zum Gesetz, ist eine generelle Steuermehrbelastung vorprogrammiert! Es dürfte daher in vielen Fällen, in denen ohnehin bereits Nachfolgeüberlegungen angestellt worden sind, kurzfristiger Handlungsbedarf bestehen, um diese zukünftig aller Voraussicht nach höhere Liquiditätsbelastung bei der Unternehmensnachfolge zu vermeiden.

So sieht das Eckpunktepapier zunächst vor, dass die Lohnsummenregelung bei allen Betrieben greifen soll, deren Wert größer als 1 Mio. EUR ist (bisher: Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter). Auf den ersten Blick hört sich das viel an. Betrachtet man aber die derzeit gültigen Bewertungsmaßstäbe des Steuerrechts, wird ein solcher Wert schon bei einem nachhaltig erzielbaren Gewinn von rund 55 TEUR im Jahr erreicht werden. Gerade kleine Handwerksbetriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern müssen damit rechnen, zukünftig ebenfalls verpflichtet zu werden, die durchschnittliche Lohnsumme der vergangenen 5 Jahre im Großen und Ganzen über die nächsten 5 Jahre (bzw. über 7 Jahre im Fall der Nulloption) einzuhalten. Das kann gerade bei Unternehmen mit sehr wenigen Beschäftigten zum echten Problem werden, was wiederum eine steuerliche Mehrbelastung zur Folge haben könnte.

Ausgehend von der im Erbschaftsteuerrecht gängigen Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, nach der der nachhaltig erzielbare Gewinn mit einem Faktor von (derzeit) 18,2 multipliziert wird (!), scheint auch die vom Gesetzgeber geplante Grenze für die Bedürfnisprüfung für „Groß“-Unternehmen niedrig zu sein. Diese Grenze soll darüber entscheiden, ob ein Unternehmen steuerliche Privilegierungen in Anspruch nehmen kann oder nicht. Der Gesetzgeber möchte insoweit eine Freigrenze einführen (anders: Freibetrag – ist derzeit nicht gewollt), die bei 20 Mio. EUR pro Erwerb liegt. Bis dahin können operative Betriebsvermögen ohne weiteres – bei Einhaltung der übrigen Voraussetzungen – erbschaft- und schenkungsteuerprivilegiert übertragen werden. Bei Unternehmenserwerben mit einem größeren Wert hingegen soll die Bedürfnisprüfung dazu führen, dass unter anderem durch Einbeziehung von Privatvermögen des Empfängers (Beschenkter oder Erbe) hieraus bis zu 50 % der insoweit ohne Begünstigung anfallenden Steuer bezahlt werden müssen. Inwieweit solche Überlegungen (wiederum) verfassungsrechtlich hingenommen werden müssen, erscheint durchaus diskussionswürdig.

Schließlich hat das Bundesfinanzministerium offensichtlich auch die Absicht, das tatsächlich privilegierte Betriebsvermögen erheblich einzuschränken. So soll sich das privilegierte Vermögen anhand des „notwendigen Betriebsvermögens“ ermitteln lassen, welches zu mehr als 50 % dem Betrieb dient. Sonstiges (selbst bilanziell betriebliches) Vermögen hingegen soll – bis auf einen Liquiditätspuffer von 10 % – aus der Privilegierung komplett herausfallen, eine deutliche Verschärfung im Hinblick zum heutigen Recht, welches immerhin bis zu 50 % Verwaltungsvermögen (nicht operatives, oftmals aber zur Liquiditätsstütze sinnvolles Vermögen) als privilegierungswürdig miterfasst. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen operativem und nicht operativem Vermögen sind vorprogrammiert. Eine Steuerverschärfung gerade für Unternehmen, die – zum Beispiel branchenbedingt – mit hohen Liquiditätsreserven arbeiten müssen, ist zu erwarten.

Das letzte Wort im Gesetzespoker ist freilich noch nicht gesprochen. Dennoch steht mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fest, dass Nachfolgegestaltungen zukünftig in den meisten Fällen teurer werden, als im Moment. Deshalb sei die Empfehlung wiederholt, ohnehin gegebene oder auch sinnvoll erscheinende Nachfolgeüberlegungen prioritär und auch unter einem Systemvergleich des heutigen und (geplanten) zukünftigen Erbschaftsteuerrechts zu behandeln.

 

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