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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat am 17.12.2014 die Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig erklärt.

Insbesondere ist das Verfassungsgericht der Auffassung, dass die §§ 13 a und 13 b Erbschaftsteuergesetz, also die Betriebsvermögensprivilegierungen, teilweise gleichheitswidrig sind und diese Gleichheitswidrigkeit ein solches Gewicht hat, dass die Normen insgesamt für verfassungswidrig zu erachten sind.

Die interessanten Aussagen des Verfassungsgerichts, wie sie der Pressemitteilung zu entnehmen sind, sollen hier holzschnittartig zusammengefasst werden.

  1. Die Verschonungsregelungen, wie sie derzeit gelten, können zu einem enormen Ungleichgewicht zwischen betrieblichem und nicht betrieblichem Vermögen führen, gerade bei großen Unternehmensvermögen. Deshalb ist der an sich legitime und verfassungsgemäße Einsatz von Verschonungsregegelungen im konkreten Gesetzesfall nicht hinzunehmen. Das heißt: Der Gesetzgeber muss die Verschonung auf ein angemessenes Maß zurückführen.
  2. Die Legitimität der steuerlichen Begünstigung von produktivem Betriebsvermögen zum Schutze der Arbeitsplätze und der Unternehmen steht außer Zweifel. Daraus schließen wir: Der Gesetzgeber wird weiterhin Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen aufstellen (so auch Bundesfinanzminister Schäuble).
  3. Die Vorschriften der §§ 13 a und 13 b Erbschaftsteuergesetz sind geeignet, erforderlich und im Grundsatz auch verhältnismäßig zur Erreichung des legitimen Zwecks. Selbst eine Steuerverschonung zu 100 % ist verhältnismäßig. Das heißt: Das existierende System wird nicht dem Grunde nach in Frage gestellt. Es besteht die Möglichkeit, dass es – freilich angepasst – fortbesteht, was erhebliche Rechtssicherheit bedeuten würde.
  4. Allerdings ist eine Verschonung nicht ohne jegliche Bedingung zu gewähren. Sie ist unverhältnismäßig, soweit sie bei kleinen und mittleren Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung für die Steuerentlastung greift (z.B. keine Lohnsummenprüfung bei Unternehmen bis 20 Mitarbeitern). Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, Kriterien als Maßstab zu entwickeln, die die Bedürftigkeit für Steuerverschonungen messbar macht, und zwar praktikabel und gleichheitsgerecht.
  5. Die Unterscheidung verschiedener, begünstigter Vermögensarten, ist zu akzeptieren, auch die Differenzierung zwischen Kapitalgesellschaften (Verschonung nur bei Beteiligung > 25 %) und Personenhandelsgesellschaften (generelle Begünstigung).
  6. Die Lohnsummenregel ist vereinbar mit Art. 3 GG, allerdings nicht, sofern Betriebe gänzlich von ihrer Überprüfung freigestellt sind (siehe oben). Der Gesetzgeber wird folglich die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigen begrenzen müssen, will er an dem Konzept der Lohnsummenregelung festhalten.
  7. Die Behaltensfristen von fünf oder sieben Jahren sind vereinbar mit dem Grundgesetz.
  8. Eine Verschonung des Betriebsvermögens ist dann mit Art. 3 GG nicht mehr vereinbar, wenn bis zu 50 % schädliches Verwaltungsvermögen nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ ebenfalls privilegiert übertragen werden können. Eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögen, das der Gesetzgeber als eigentlich nicht förderungswürdig ansieht, ist kein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für steuerliche Entlastungsregelungen. Der Gesetzgeber wird also hier die Vermögensverwaltungsquote deutlich reduzieren müssen, um den Verfassungsvorgaben gerecht zu werden. Das Verfassungsgericht erwähnt in diesem Kontext hier die Quote von 15 %, die die so genannte „Regelverschonung“ bei ihrer 85 %igen Steuerfreistellung selbst vorgibt. Das könnte für den Gesetzgeber ein Anhaltspunkt sein.
  9. Cash-Gesellschaften wird es künftig nicht mehr geben (zielgerichtete Betriebsvermögensprivilegierung mit Begünstigungsprüfung erforderlich). Die schädliche Verwaltungsvermögensquote darf nicht mehr erst bei 50 % beginnen. Konzernstrukturen zwecks Unterbringung von Verwaltungsvermögen werden durch den Gesetzgeber ausgeschlossen werden müssen.
  10. Die Einhaltung der Lohnsummenvorschriften wird konzentriert und flächendeckend verlangt (möglicherweise mit Ausnahme von kleinen Betrieben mit einigen wenigen Angestellten). Umgehungsmöglichkeiten sind auszuschließen.
  11. Die derzeit geltende Rechtslage besteht bis 30.06.2016 fort. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung zu treffen. Allerdings hat der Steuerpflichtige keinen Vertrauensschutz für eine bis zur Urteilsverkündung rückwirkende Neuregelung. Das bedeutet, dass seit dem 17.12.2014 keine rechtssicheren Gestaltungen unter Nutzung der derzeitigen Begünstigungsnormen §§ 13 a und 13 b Erbschaftsteuergesetz möglich werden, sondern stets mit einer gesetzgeberischen Entscheidung zu rechnen ist, dass das neue Recht auf den Termin der Urteilsverkündung rückwirkt und eine danach gemäß altem Recht gefertigte Gestaltung konterkariert. Entsprechend ist in den Verträgen Vorsorge für diesen Fall durch entsprechende Rücktrittsrechte zu treffen. Es besteht allerdings die Hoffnung – gerade auf Grund der Aussage des Bundesfinanzministers -, dass der Gesetzgeber eine Rückwirkung meidet, um Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen zu schaffen.
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