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Geschwisterschenkungen im Erbschaftsteuerrecht

Geschwisterschenkungen im Erbschaftsteuerrecht

Wenn auch das Erbschaftsteuerrecht derzeit beim Verfassungsgericht zur Prüfung vorliegt und davon auszugehen ist, dass das derzeitige Erbschaftsteuerrecht wegen seiner inhomogenen Privilegierungspraxis verfassungswidrig sein wird, so ist es dennoch Gesetzesgrundlage für derzeitige Schenkungen und wird es voraussichtlich auch nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zumindest im Kern bleiben. Da die persönlichen Freibeträge vermutlich unangegriffen bleiben werden, im Zweifel sogar eher in einem neu zu schaffenden Erbschaftsteuerrecht gekürzt werden, bleibt es bei der evidenten Unterschiedlichkeit zwischen Schenkungen in gerader Linie (also von Eltern an ihre Kinder) und Schenkungen in horizontaler Linie (also Geschwisterschenkungen): Denn während Vermögen von den Eltern zu den Kindern unter Ausnutzung eines persönlichen Freibetrages von je 400 TEUR (also für jedes Elternteil erhält jedes Kind einen Freibetrag von 400 TEUR) übertragen werden kann, liegt bei Geschwisterschenkungen der persönliche Freibetrag bei gerademal 20 TEUR. Hinzu kommt, dass der progressive Staffeltarif der Erbschaftsteuer bei den Schenkungen in gerader Linie einen Eingangssteuersatz von 7 % aufweist, der bei Schenkungen bis zu 6 Mio. EUR auf 19 % ansteigt, während bei Geschwisterschenkungen die ungünstigere Steuerklasse II anzuwenden ist, also der Eingangstarif bei 15 % liegt und bei Schenkungen bis 6 Mio. EUR auf 30 % ansteigt.

Mittlerweile hat der BFH bestätigt, dass die unterschiedliche Behandlung der Familienmitglieder verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Daran würde es auch nichts ändern, wenn die Geschwister untereinander in einer Art Lebensgemeinschaft zusammenleben würden. Die Differenzierung des Gesetzes müsse akzeptiert werden.

Damit wird das Problem der Geschwisterschenkung unterstrichen, gerade bei Konstellationen, bei denen das Vermögen – möglicherweise wegen Kinderlosigkeit oder aus anderen Gründen – nicht in gerader Linie oder an den Ehepartner vererbt werden kann oder soll, dennoch aber im „entfernten“ Familienstamm, also bei den Geschwistern, gesichert bleiben soll. Hier ist regelmäßig eine deutliche Steuerbelastung zu befürchten, wenn man nicht in entsprechende Gestaltungen einsteigt. Es könnte z. B. helfen, den Vermögenstransfer noch zu Lebzeiten unter Zurückbehalt eines Nießbrauch zu bewirken:

Der verwitwete und kinderlose A hat ein Grundstücksvermögen im Wert von 3 Mio. EUR (Steuerwert=Verkehrswert). Sein Bruder B und dessen 4 Kinder stehen A sehr nahe. A wünscht sich, dass nach seinem Tode sein gesamtes Vermögen dem Familienstamm des B zu Gute kommt. A ist 60 Jahre alt. Es gilt die aktuelle Sterbetafel.

Variante A:

(A verstirbt ohne Gestaltung; überschlägige Steuerbelastung unter Außerachtlassung des persönlichen Freibetrages und der sachlichen Verschonung des § 13 c ErbStG.)

 

Vermögen des A                                                                            3.000 TEUR

Alleinerbe B (§ 1925 Abs. 3 BGB) erbt                                     3.000 TEUR

Steuerlast (Steuerklasse II, 30 %)                                          900 TEUR

 

Variante B:

(A setzt im Testament B und seine 4 Kinder zu gleichen Teilen ein; im Übrigen wie oben.)

 

Vermögen des A                                                                            3.000 TEUR

Miterbe B (20 % Anteil, wie auch die Kinder) erbt                  600 TEUR

Steuerlast (Steuerklasse II, 25%)                                                  150 TEUR

in Summe (x 5 für alle Erben)                                           750 TEUR

 

Variante C:

 

(B überträgt gegen Nießbrauchsvorbehalt die Immobilien auf A; im Übrigen wie oben.)

Vermögen des A                                                                            3.000 TEUR

Erwerber B erhält                                                                        3.000 TEUR

Abzüglich Nießbrauch (kapitalisierter Jahreswert ist

abzugsfähig; Bewertung nach §§ 13-16 BewG):

 

3.000 TEUR = 161 TEUR (Jahreswert)

     18.6

 

161 TEUR x Faktor 12,713                                      -2.046 TEUR

 

Steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)                                          950 TEUR

Steuerlast (Steuerklasse II, 30 %)                                           285 TEUR

 

Es zeigt sich, dass der Progressionseffekt durch Verteilung auf mehrere Schuldner zwar eine steuerliche Auswirkung haben kann, allerdings nur dann, wenn es tatsächlich gelingt, einen Progressionssprung zu erreichen. Aus steuerlicher Sicht besser ist daher die Übertragung zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt, da der gesamte Nießbrauchswert aufgrund der Neufassung des Erbschaftsteuergesetzes, und des damit einhergehenden Wegfalles des § 25 ErbStG in Abzug zu bringen ist. Mit Wegfall des Nießbrauchs durch den Tod des Nießbrauchsberechtigten steht diese Substanz dem Erwerber uneingeschränkt zur Verfügung, ohne dass er hierfür – vorbehaltlich § 14 BewG, der eine gewisse, die Vorteilhaftigkeit ein wenig eintrübende „Korrektur“ vornimmt, sollte der Tod innerhalb von 10 Jahren eintreten – noch einmal erbschaft- oder schenkungsteuerlich in Anspruch genommen werden könnte.

Es zeigt sich also, dass durch die Gestaltung ein erheblicher Steuervorteil von beispielhaft 615 TEUR zu erzielen ist, was allerdings eine rechtzeitige Befassung mit dem Thema der Vermögensnachfolge voraussetzt. Wie immer dürfen freilich die übrigen Konsequenzen der Vermögensübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht außer Acht gelassen werden. Dennoch: Zeitgerechte Vorsorge schont das Familienvermögen!

 

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