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Dumm gelaufen … lange Festsetzungsfristen bei streitigem Erbscheinverfahren

Im Streitfall war die Erblasser-Tante 1988 verstorben. Ihre Nichte und ihr Neffe waren die einzigen Angehörigen; sie hatten keine Ahnung, ob und dass die Tante bereits ein Testament errichtet hatte. Also beantragten sie einen gemeinsamen Erbschein, der auch im Jahr 1989 ausgestellt wurde.

Später fand der Neffe ein Testament aus 1988, wonach er als Alleinerbe von der Tante bestimmt worden war. Er beantragte somit im Mai 2003 beim Nachlassgericht einen neuen Erbschein, der ihm auch 2009 nach langem Streit ausgestellt wurde. Die Schwester, die sich hiergegen wehrte, verlor bis zur letzten Instanz. Ihr Bruder war Alleinerbe geworden.

In 2010 erließ das Finanzamt dann einen auf den Bruder lautenden Änderungsbescheid mit einer höheren Erbschaftsteuer (weil er ja Alleinerbe war). Dies wollte er jedoch so nicht hinnehmen, weil er glaubte, die Festsetzungsfrist sei bereits abgelaufen.

Demgegenüber stellten das angerufene Finanzgericht und später der BFH fest, dass in 2010 die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war, weil bis 2009 das Erbscheinverfahren noch angedauert hatte und die Erteilung des Erbscheins erst ab diesem Zeitpunkt sicher feststand. In der anschließenden Zeit bestand für den alleinerbenden Neffen die Möglichkeit, gemäß Testament, das einen neuen Rechtsgrund zu seinen Gunsten auswies, die Korrektur des ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheids zu beantragen.

Die Schwester ging leer aus!

Zwar war im Jahr 2010 die Tante und Erblasserin bereits seit zwölf Jahren verstorben, dennoch erfolgte der Antrag des nunmehrigen Alleinerben früh genug, weil die Festsetzungsfrist (vier Jahre), binnen derer es zu einer Verjährung der Festsetzungsfrist kommt, noch nicht abgelaufen war. Nach Kenntnis der wahren Verhältnisse konnte das erstinstanzliche Gericht noch eine Entscheidung treffen, die im Jahr 2007 erfolgte, sodass in 2010 die vierjährige Festsetzungsfrist noch immer nicht abgelaufen war.

Denn die grundlegende Entscheidung des Nachlassgerichts, dass der Neffe Alleinerbe geworden war, war erst im September 2007 ergangen, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist in 2010 noch offen war. Dementsprechend konnte trotz des langen Zeitraums seit dem Todesfall die alleinige Steuerlast beim Neffen der Erblasserin noch festgestellt werden. Eine Verjährung stand dem nicht im Weg, so der BFH (Aktenzeichen II R 28/22).

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