Mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 20.11.2019 (Aktenzeichen: IV C 6 – S 2241/15/10003) hat die Finanzverwaltung ihre bislang vertretene Rechtsauffassung zur Anwendung der – steuerträchtigen – so genannten „Gesamtplanbetrachtung“ in bestimmten Fällen einer unentgeltlichen Übertragung von Unternehmensvermögen bei Zurückbehaltung von (Sonder-)Betriebsvermögen aufgegeben. Die Finanzverwaltung folgt damit zumindest teilweise der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der mittlerweile in mehreren Entscheidungen die bis dato insgesamt restriktive Haltung der Finanzverwaltung kassiert hatte.
Es geht bei den im BMF-Schreiben behandelten Fällen darum, dass bei der Planung einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs, eines Mitunternehmeranteils oder von Anteilen hieran auf die Nachfolgegeneration oftmals der Gedanke im Raum steht, bestimmte, im Eigentum des Unternehmers stehende, aber steuerlich dem Betrieb zugeordnete Wirtschaftsgüter, welche funktional wesentlich für die Ausführung des Betriebs sind (z.B. die betrieblich genutzte Immobilie, Maschinen etc. – nachfolgend (Sonder-)Betriebsvermögen genannt), in der Hand der abgebenden Generation zu bewahren, um damit, beispielsweise über Vermietung an den soeben übergebenen Betrieb, deren Altersversorgung zu gewährleisten.
Die Finanzverwaltung war bisher ausnahmslos der Auffassung, dass eine unentgeltliche Übertragung des Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils voraussetze, auch alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen, also eben auch die vorgenannten Wirtschaftsgüter, mitübertragen zu müssen bzw. sie dorthin weiter zuzuordnen, um das Privileg der Buchwertfortführung des betrieblichen Vermögens zu erlangen.
Dieses Privileg führt dazu, dass die stillen Reserven sowohl im Betrieb als auch im (Sonder-)Betriebsvermögen gewahrt bleiben und nicht der Versteuerung unterliegen. Würde dieses (Sonder-)Betriebsvermögen bei unentgeltlicher Übertragung des Betriebs im Übrigen in der Hand der abgebenden Generation durch vorherige Ausgliederung in einen anderen Betrieb oder ins Privatvermögen aber zurückbehalten und lasse das Verhalten von Übergeber und Übernehmer auf einen „Gesamtplan“ schließen, der genau diese Maßnahmen als einheitlichen Akt darstelle, komme – so die Finanzverwaltung bisher – das Privileg nicht in Betracht und sei die ganze Gestaltung als – steuerpflichtige – Betriebsaufgabe zu behandeln.
Der Bundesfinanzhof hatte bereits im Jahr 2012 die Praxis der Finanzverwaltung gerügt und der vorgenommenen Besteuerung in den zu entscheidenden Fällen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es komme – kurz gesagt – für die Buchwertprivilegien nur darauf an, wie der zu übertragende Betrieb im Zeitpunkt der Übertragung ausgestaltet sei. Soweit Teile des (steuerlichen) Betriebsvermögens herausgenommen worden seien oder im Zuge der Übertragung herausgenommen werden, sei dies nach der Rechtsprechung für die unentgeltliche Übertragung jedenfalls des „Rest“-Betriebs steuerlich regelmäßig unschädlich. Hierbei sei freilich zu beachten, dass die Buchwertprivilegien für das zurückbehaltene (Sonder-)Betriebsvermögen nur dann gewährt würden, wenn dieses Vermögen in einem anderen Betriebsvermögen gelandet und die Besteuerung der stillen Reserven dort gesichert sei.
Diesen Überlegungen ist die Finanzverwaltung jetzt weitgehend gefolgt. Wird demnach vor oder im Zeitpunkt der Übertragung des Unternehmens funktional wesentliches (Sonder-)Betriebsvermögen nach den gesetzlichen Regeln des § 6 Abs. 5 EStG auf eine andere (steuerliche) Einheit übertragen oder in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt, also ausgegliedert und nicht mitübertragen, kommt das Buchwertprivileg gleichwohl für die Übertragung des – insoweit geschmälerten – Unternehmens auf den Nachfolger in Betracht. Allerdings darf hiermit keine Betriebszerschlagung verbunden sein, sondern auch nach der Ausgliederung des funktional wesentlichen (Sonder-)Betriebsvermögens muss das Unternehmen weiterhin als eine funktionsfähige betriebliche Einheit bestehen und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sein.
Ohne Auswirkung auf das Buchwertprivileg des zu übertragenden Unternehmens ist nach dem BMF-Schreiben auch, wenn das (Sonder-)Betriebsvermögen vor der Übertragung veräußert oder entnommen wird. Das führt zwar – selbstverständlich – zur Besteuerung der dortigen stillen Reserven. Der spätere Betriebsübergang selbst aber kann weiterhin steuerneutral durchgeführt werden. Das soll allerdings nicht gelten und kann entsprechend böse Folgen haben, wenn das (Sonder-)Betriebsvermögen „zeitgleich oder taggleich“ mit der Übertragung des „Rest-“unternehmens in das Privatvermögen des Übertragenden überführt oder veräußert wird. In diesem Fall nimmt die Finanzverwaltung eine (tarifbegünstigte) Aufgabe des Unternehmens an, die insgesamt steuerpflichtig ist.
Auch wenn die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 20.11.2019 in ihren Einzelheiten durchaus komplizierter sind, als oben dargestellt, offenbar auch einige Abweichungen zur jüngeren (Instanz-) Rechtsprechung bestehen und wünschenswert gewesen wäre, bestimmte weitere Fallkonstellationen aufzugreifen und „gestaltungssicher“ zu machen, lässt sich doch folgender Schluss ziehen:
Das Schreiben eröffnet für die Unternehmensnachfolge Umstrukturierungsmöglichkeiten, die auf relativ einfache, sinnvolle und (eigentlich auch) naheliegende Art und Weise die Altersversorgung der abgebenden Generation sicherstellen, ohne dass der übernehmenden Generation nennenswerte Steine in den Weg zur Fortführung des übernommenen Unternehmens in seiner operativen Struktur in den Weg gelegt werden. Die Tücken liegen sicherlich im Detail, sodass eine entsprechende Umstrukturierung sorgfältig vorbereitet und geprüft werden muss. Die Chance aber, eine zukunftsorientierte Struktur des Unternehmens herzustellen, die sodann (gegebenenfalls) sogar noch zusätzlich über kluge Verfügungen von Todes wegen auf lange Zeit abgesichert ist, überwiegt nach dieser ,,Kehrtwende“ der Finanzverwaltung die Risiken.
Diese Chance sollte der Mittelstand nutzen!