Der BGH hatte mit seiner Entscheidung vom 13.10.2013, I ZR 143/12, mit dem Titel „Geburtstagszug“ für Aufruhr im Urheberrecht gesorgt, nachdem er die Voraussetzungen für den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst deutlich verringert hatte.
Dem Fall des BGH lag ein Streit zu Grunde, in dem eine selbständige Spielwarendesignerin höhere Vergütungen für die von ihr entworfenen Produkte „Geburtstagszug“, „Geburtstagskarawane“ und „Angelspiel“ forderte. Die Designerin hatte die Entwürfe an eine Spielwarenherstellerin verkauft und hierfür Beträge zwischen 400,00 DM und 1.102,00 DM erhalten.
Insbesondere der „Geburtstagszug“ entwickelte sich zum Verkaufsschlager. Die Spielwarendesignerin begehrte daraufhin – unter Hinweis auf den urheberrechtlichen Schutz der Werke – nachträglich höhere Vergütungen. Sie war der Ansicht, die vereinbarte Vergütung entspreche angesichts des großen Verkaufserfolgs nicht (mehr) den tatsächlichen Umständen, weshalb sie die Zahlung einer (weiteren) angemessenen Vergütung gemäß § 32 a UrhG beanspruchte.
Das OLG Schleswig hatte in der Vorinstanz bereits den Urheberrechtsschutz für das Werk der Klägerin unter Hinweis auf eine fehlende Gestaltungshöhe versagt.
Bisheriges Verhältnis von Urheberrechtsschutz und Geschmacksmusterschutz (jetzt Designschutz)
Bislang galt für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst ein „Stufenverhältnis“ zwischen dem urheberrechtlichen Schutz und dem Schutz auf Grund des Geschmacksmusterrechts, (das letztere ist zwischenzeitlich in „Designgesetz“ umbenannt worden).
Im Gegensatz zu Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen oder musikalischen Schaffens wurde an die Werke der angewandten Kunst – unter Hinweis auf die alternative Schutzfähigkeit nach dem (heutigen) Designgesetz – die erhöhte Anforderung gestellt, dass nur solche Werke schutzfähig sind, die die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen.
Insofern wurde für die Werke der angewandten Kunst eine Gestaltungshöhe gefordert, die für andere Werke im Sinne des Urhebergesetzes nicht erforderlich war. Eine solche Gestaltungshöhe sah das OLG bei der Klägerin nicht als gegeben an.
Heutiges Verhältnis nach dem Urteil des BGH
Der BGH hat nunmehr festgestellt, dass ein solches Stufenverhältnis nicht mehr besteht und für alle Werke, die Schutz nach dem Urhebergesetz beanspruchen, die gleichen Schutzvoraussetzungen gelten. Anzuwenden sind nunmehr auf alle Werke die Grundsätze der sogenannten „kleinen Münze“, wonach auch einfache Schöpfungen Urheberrechtsschutz begründen können.
Nach dem BGH ist nunmehr umfassend den Anforderungen des Urheberrechts Genüge getan, wenn das Werk eine (nur) gewisse Gestaltungshöhe erreicht, mithin eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers darstellt.
Der BGH weist darauf hin, dass bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen ist, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung Urheberrechtsschutz nur dann begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht.
Die Entscheidung des OLG Schleswig
Nachdem der BGH die Schutzvoraussetzungen herabgesenkt hatte, musste er die Sache zur erneuten Beurteilung an das OLG Schleswig zurückverweisen. Das OLG hat nun entschieden (vg. Urteil vom 11.09.2014, 6 U 74/10), dass der Spielwarendesignerin demnach keine höheren Vergütungen zustehen. Die Ansprüche seien entweder nicht gegeben oder verjährt.
Kein Urheberrechtsschutz für „Angelspiel“ und „Geburtstagszug“
Hinsichtlich des Angelspiels und des Geburtstagszuges verneinte das OLG – trotz der niedrigeren Schutzvoraussetzungen – die Schutzfähigkeit. Hinsichtlich des Geburtstagszuges habe die Spielwarendesignerin einen ihrer älteren Entwürfe („Bummelzug“) lediglich abgeändert. Die vorgenommenen Änderungen erklärten sich vorrangig aus dem Gebrauchszweck und stellten deshalb keine künstlerische Leistung dar.
Geburtstagskarawane grundsätzlich schutzfähig
Die Geburtstagskarawane, die insoweit nicht auf dem „Bummelzug“ beruhte, war nach Ansicht des OLG grundsätzlich als ein Erzeugnis von hinreichender schöpferischer Qualität zu würdigen. Da jedoch bereits im Jahre 2003 – wie der Designerin bekannt gewesen sei – Anhaltspunkte für den außerordentlichen Verkaufserfolg vorgelegen hätten, sei ein Anspruch auf eine weitere Vergütung inzwischen verjährt.
Fazit: Rechte prüfen, Rechte schützen, Rechte sicher übertragen
Da die Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst nunmehr herabgesetzt wurden, erweitert sich der Schutzbereich des Urheberrechts. Auch Werke, die in der Vergangenheit nicht schutzfähig waren, erhalten rückwirkend jedenfalls ab dem 01.06.2004 die Werkqualität nach dem Urheberrecht. Was früher allein als „eingetragenes Geschmacksmuster“ schutzfähig war, mag jetzt die Voraussetzungen sogar für einen urheberrechtlichen Schutz erfüllen. Hieraus folgt die grundsätzliche Möglichkeit, mittels einer Nichtigkeitsklage gegen die designrechtliche Verwendung eines nach neuer Rechtsprechung urheberrechtlich geschützten Werkes vorzugehen, sowie die Erweiterungen von Ansprüchen gemäß dem urheberrechtlichen Schutzkanon.
Erwerber von Rechten sehen sich nunmehr der Problematik gegenüber gestellt, dass die Designer nachträglich auf den Urheberrechtsschutz pochen und eine Erhöhung der Vergütung verlangen könnten. Wer mit solchen Ansprüchen konfrontiert wird, mag wiederum aus der Entscheidung des OLG Schleswig „Honig saugen“.
Auch wenn Werke nunmehr „leichter“ nach dem Urheberrecht zu schützen sind, darf die Bedeutung des Designschutzes nicht unterschätzt werden. Insbesondere stellt das Design-Recht im Gegensatz zum Urheberrecht ein Registerrecht dar, womit die Entstehung von Rechten ohne weiteres anhand von Anmeldungen nachvollzogen und durch Eintragungsurkunden bewiesen werden kann. Das ist beim Urheberrechtsschutz, der „ipso iure“ entsteht, nicht der Fall.
Wer potentieller Rechteinhaber ist, sollte deshalb nicht nur den „Entstehungsvorgang“ und den weiteren -verlauf zum Nachweis etwaigen urheberrechtlichen Schutzes dokumentieren, sondern sich auch darüber Gedanken machen, welche Schutzrechte er korrespondierend durch Eintragungsakt erreichen kann.