Nachdem der EuGH bereits in einer Entscheidung vom 14.05.2019 klargestellt hatte, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet seien, Arbeitgebern zur Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie aufzugeben, ein „objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung“ einzurichten, hat man in Deutschland in erster Linie abgewartet, dass der deutsche Gesetzgeber dies näher konkretisieren sollte. Daraufhin hat das Bundesarbeitsgericht allerdings mit Beschluss vom 13.09.2022, 1 ABR 22/21 ausgeführt, dass es im deutschen Recht bereits eine entsprechende Rechtsgrundlage gebe. Die Pflicht der Arbeitgeber, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten im Gemeinschaftsbetrieb erfasst werden, folge aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.
Allerdings war nicht ganz klar, wie genau die Arbeitszeiterfassung aussehen soll. Das BAG hat am 02.12.2022 seine Entscheidungsgründe zu diesem Arbeitszeiterfassungs-Beschluss vom 13.09.2022 veröffentlicht. Klar ist nunmehr, dass die Arbeitgeber ein System bereitstellen müssen, mit dem die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer erfasst werden, also Beginn und Ende der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden. Auch wenn das BAG diesen Punkt nicht direkt anspricht, dürften darüber hinaus auch die Ruhepausen zu dokumentieren sein, da ohne deren Dokumentation auch keine Dokumentation der geleisteten täglichen Arbeitszeit gegeben wäre. Damit soll sichergestellt werden, dass die den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bezweckenden Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden.
In welcher Form die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat, hat das BAG nicht konkret vorgegeben. Bei der Auswahl des Zeiterfassungssystems sind vor allem die Besonderheiten der jeweils betroffenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – zu berücksichtigen. Die Arbeitszeiterfassung muss aber nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen. Vielmehr können beispielsweise – je nach Tätigkeit und Unternehmen – auch Aufzeichnungen in Papierform genügen.
Auch wenn die Einrichtung und das Vorhalten eines solchen Arbeitszeiterfassungssystems dem Arbeitgeber obliegt, ist es nach den unionsrechtlichen Maßgaben nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren. In diesem Fall hat der Arbeitgeber dann aber auch – zumindest stichprobenartig – zu kontrollieren, dass die Arbeitszeiten tatsächlich von den Mitarbeitern erfasst werden.
Des Weiteren führt das BAG aus, dass bei der Auswahl und der näheren Ausgestaltung des jeweiligen Arbeitszeiterfassungssystems zu beachten ist, dass die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen. D.h., Arbeitgeber können die Einrichtung eines Arbeitszeiterfassungssystems nicht verweigern, weil hierdurch unter Umständen erhebliche Kosten entstehen können.
Nicht ganz klar ist weiterhin, bezüglich welcher Mitarbeiter nun eine Pflicht zur Erfassung von deren Arbeitszeit gilt. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu bislang ausgeführt, dass die Pflicht zur Zeiterfassung für alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG gilt. Ob die Zeiterfassungspflicht auch für leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gilt, geht insofern nicht eindeutig aus diesen Entscheidungsgründen hervor.
Im April 2023 legte nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Referentenentwurf vor, der die Reichweite der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung und zur Ausgestaltung von Arbeitszeiterfassungssystemen noch einmal veranschaulicht. Angedachtes Ziel ist, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Genauere Vorgaben zur Ausgestaltung der elektronischen Erfassung macht aber auch der Entwurf nicht und sieht weiterhin diverse Ausnahmen und Übergangsregelungen vor.
Hinsichtlich der Kontrolle der Arbeitszeiten sind in der Regel die Gewerbeaufsichtsämter zuständig, die überprüfen, ob die Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung im Unternehmen erfüllt sind. Falls nicht, ordnen diese mit einer bestimmten Frist an, diesbezüglich nachzubessern. Wenn ein Unternehmen dieser Aufforderung nicht nachkommt, ist mit einem Bußgeld zu rechnen.