Zwei Themen scheinen aufgrund der derzeitigen Krisensituation zu einem Dauerthema der Industrie und der mittelständischen Wirtschaft geworden zu sein. Erstens stellt sich die Frage, wie Bezugs- bzw. Lieferverträge, die aus ihrem wirtschaftlichen Gleichgewicht gekommen sind, wieder zurück in eine ausgewogene Balance finden, sowie auch zweitens, wie man sich gegebenenfalls von diesen lösen kann.
Anstoß für diese Fragen sind häufig die unterjährig durch eine Vertragspartei beanspruchten Preiserhöhungen aufgrund gestiegener Energiepreise, Bezugspreisen von Produktionsmaterialien oder sonstigen Kosten, welche dazu führen, dass die vereinbarten Preise selbst nicht eingehalten werden können.
Zunächst gilt zu sagen, dass vorsorgende Vertragsklauseln in rechtlicher Hinsicht die nahezu einzige Möglichkeit darstellen, Abhilfe in Bezug auf das Problem der Durchsetzung von Preiserhöhungen sowie auch gegebenenfalls einer notwendig werdenden Kündigung zu schaffen. Eine unterjährige Anpassung des Vertrags ist mit der richtigen Formulierung auch im Rahmen der sodann entstehenden Gespräche zwischen den Vertragsparteien deutlich einfacher zu erreichen. Die Bandbreite an möglichen Vertragsklauseln lässt hier im Rahmen von gewissen Grenzen durchaus Spielräume zu, die beispielsweise eine Preiserhöhung an ein Kostenelement koppeln, sodass keine weitere Diskussion hierüber mit gegenseitigen Drohgebärden im Sinne von „De-Listing“ oder Ähnlichem erforderlich wird.
Hierzu zählen unter anderem Klauseln, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vorsehen, dass Preisanpassungen aufgrund einer sich entwickelnden Abweichung gegenüber einer Partei einseitig durchgesetzt werden können. Die Umsetzbarkeit solcher Klauseln hängt allerdings sehr stark von der entsprechenden Formulierung ab, sodass diese so gewählt werden sollte, dass die Preiserhöhung bereits zum Zeitpunkt des Eintritts des relevanten und daher vereinbarten Ereignisses eintritt. Wieder andere Klauseln bedürfen zu ihrer Wirksamkeit noch eines separaten Umsetzungsaktes durch die Vertragsparteien oder aber sind an weitere Bedingungen, wie das eines Mitteilungserfordernisses gegenüber der anderen Vertragspartei, geknüpft, ohne welche keine Änderung eintritt.
Schließlich kommen auch reine Verhandlungsklauseln in Betracht, die darauf abstellen, dass bei Vorliegen eines bestimmten Ereignisses in Verhandlung darüber zu treten ist, inwiefern der Preis den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch entspricht. Sollte diese Verhandlung sodann scheitern, so kann sich die betroffene Partei bereits vertraglich ein (Sonder-)Kündigungsrecht vorbehalten, welches sodann ermöglicht, sich von dem unwirtschaftlich gewordenen Vertrag zu lösen.
Gerade auch weil die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Abnehmer ein hohes Gut darstellt, entschärft man durch entsprechend ausformulierte Vertragsklauseln Konfliktpotentiale bereits vor den relevanten Jahresgesprächen.
Aber auch für den Fall, dass keine entsprechenden Vertragsklauseln enthalten sind, bestehen Möglichkeiten, Preiserhöhungen bzw. Sonderkündigungsrechte durchzusetzen. Hierzu kommen exemplarisch die Regelungen über die Auslegung von Verträgen in Betracht. Zum anderen kommen der sogenannte Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie auch die Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht, die jedoch allesamt aufgrund ihres engen Anwendungsbereiches einer vertraglichen Vereinbarung regelmäßig nachstehen.
Nicht selten wird sich eine Partei im Rahmen einer anstehenden und durchzusetzenden Preiserhöhung auch auf ein sogenanntes Force Majeure bzw. höhere Gewalt-Ereignis berufen. Zu beachten ist allerdings, dass in der Regel weder die Force Majeure-Klauseln noch die höhere Gewalt-Klauseln dazu berechtigen, eine Preisanpassung durchzusetzen. In rechtlicher Hinsicht stellen diese Institute vielmehr eine Ausprägung der sogenannten vorübergehenden Unmöglichkeit dar, die dazu führt, dass der jeweilige Schuldner der Leistung von seiner Leistungspflicht für die Dauer dieses Ereignisses befreit ist. Der Anspruch auf Durchsetzung einer Preisanpassung oder Kündigung ergibt sich hieraus indes regelmäßig nicht.
Im Rahmen des Begehrens von Preiserhöhungen bzw. Kündigungsrechten ist die Durchsetzung auf Basis einer Vertragsauslegung ebenfalls kaum erreichbar, da hiermit erhebliche Beweisschwierigkeiten einhergehen. Grund dafür ist, dass verschiedene Unterlagen, wie beispielsweise Begleitkorrespondenz im Rahmen der Erstellung des Vertrags, herangezogen und entsprechende Belege vorgelegt werden müssen, die darauf schließen lassen, dass die Parteien tatsächlich eine Preisanpassung bei Vorliegen der Kenntnis über ein bestimmtes Ereignis vorgenommen hätten.
Gleichwohl bestehen Anknüpfungspunkte, sich auch eine Anpassung des Vertrags bzw. Kündigung des Vertrags durch Berufung auf gewisse Tatbestände offenzuhalten. In Betracht kommen im Wesentlichen der Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie die Kündigung aus wichtigem Grund. Zu beachten ist, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie die Kündigung aus wichtigem Grund jeweils auf eine Zumutbarkeitsgrenze referieren, die derart hoch ist, dass der jeweils anderen Partei das weitere Festhalten am Vertrag nahezu unzumutbar sein muss. Die hierzu ergangene Rechtsprechung bezieht sich auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und betrifft demnach solche Fallkonstellationen, die aufgrund der damals vorherrschenden Hyperinflation eingetreten sind.
In diesem Zusammenhang ist es daher wenig ratsam, sich im Rahmen einer Preissteigerung von 10 % auf ein solches Institut zu berufen, da die Rechtsprechung von einem Zustand der Unzumutbarkeit zum damaligen Zeitpunkt erst ab einer Preissteigerung in hiervon hochgradig abweichenden Dimensionen ausgegangen ist. Allerdings gilt hierbei auch zu beachten, dass die zuvor genannte Zumutbarkeitsgrenze sich aufgrund heutiger Verhältnisse und der maßgeblichen Betrachtung des Einzelfalls durchaus verschieben kann.
Zur Vermeidung solcher Unstimmigkeiten und zur Erlangung eines komfortablen Grades an Rechtssicherheit bei unvorhergesehenen Problemen mit den Lieferverträgen ist es daher empfehlenswert, eine vollständige und umfängliche Beratung im Vorfeld einzuholen. Ziel sollte die einvernehmliche und ausgeglichene Risikoverteilung auf die Parteien im Vertragsverhältnis auch bei außergewöhnlichen Situationen des Geschäftslebens sein, die bestmöglich weitsichtig geregelt wird. Diese Regelung bestärkt sodann auch fortgesetzt das gegenseitige Vertrauen in den Vertragsverhältnissen, auch im Hinblick auf eine langfristige Kundenbeziehung.