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Handlungsbedarf für Unternehmen durch neue BGB Vorschriften

Es hat sich mit Sicherheit schon herumgesprochen, dass Unternehmer beim Verkauf von Waren an Verbraucher seit dem 01.01.2022 zahlreiche neue Pflichten treffen. Dies resultiert aus der Umsetzung zum einen der Digitale-Inhalte-Richtlinie (DI-RL) sowie zum anderen der Warenkauf-Richtlinie (WK-RL) des Europäischen Parlaments.

Während die DI-RL in erster Linie digitale Produkte bei Verbraucherverträgen, und damit eher einen überschaubaren Adressatenkreis betrifft, dürfte die WK-RL für jeden Händler Relevanz entfalten, der seine Waren an Verbraucher veräußert. Beide Richtlinien sind jedenfalls in neugefassten BGB-Vorschriften umgesetzt worden, die auch Auswirkungen auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben werden, mit denen Händler vielfach arbeiten:

Die neuen Vorschriften der §§ 327 ff. BGB finden Anwendung auf Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitale Dienstleistungen (digitale Produkte) zum Gegenstand haben. Mit einbezogen sind auch Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, so z.B. E-Bikes, Smartwatches, Autos usw. Bei solchen Verträgen trifft den Unternehmer seit Beginn des Jahres 2022 vor allen Dingen eine Aktualisierungspflicht. Diese soll sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale Umfeld ändert. Der Verkäufer schuldet alle Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erforderlich sind. Über anstehende Aktualisierungen hat er den Verbraucher zu informieren.

Da der Handel in der Regel nicht „automatisch“ über Updates oder Upgrades verfügt, wird er in den meisten Fällen auf die Mitwirkung der Hersteller angewiesen sein. Sinnvollerweise sollten daher die vertraglichen Beziehungen zu den Herstellern der Produkte entsprechend erweitert werden.

Aber auch im nicht-digitalen Handel besteht Handlungsbedarf für die Händler. Denn mit der Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie im BGB wurde ein neuer Sachmangelbegriff geschaffen (§ 434 BGB). Es kommt nicht mehr allein auf die subjektive, also die vereinbarte Beschaffenheit der Sache an, sondern zusätzlich muss die Sache auch objektive Anforderungen erfüllen. Die übliche Beschaffenheit ist also Grundlage für die Mangelfreiheit, worunter auch der Gedanke der „Haltbarkeit einer Ware“ fällt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Parteien explizit und gesondert eine negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, was gerade bei gebrauchten Waren zum Maßstab werden sollte.

Neben dem neuen Sachmangelbegriff sieht das Gesetz nun auch angepasste Sonderbestimmungen für Garantien gegenüber Verbrauchern vor (§ 479 BGB). So muss darauf hingewiesen werden, dass die Inanspruchnahme der Garantierechte unentgeltlich ist. Die Garantieerklärung muss dem Verbraucher auf einem „dauerhaften Datenträger“ zur Verfügung gestellt werden (z.B. in Papierform oder per E-Mail). Zusätzlich wurde die Durchsetzung der gesetzlichen Rechte der Verbraucher bei Mängeln erleichtert. Insbesondere kann der Kunde nun ohne Fristsetzung vom Geschäft zurücktreten, wenn der Händler nicht innerhalb einer angemessenen Frist (sozusagen: von sich aus) eine Nacherfüllung bei Mangelhaftigkeit der Ware geleistet hat. Eine Säumnis des Händlers in dieser Beziehung kann demnach erhebliche Auswirkungen, gerade bei hochpreisigen Waren, haben.

Auch die Vermutungsregel, wonach im B2C-Geschäft innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe der Kaufsache ein Mangel als schon bei Übergabe vorhanden angesehen wird, wird um weitere sechs Monate verlängert. Der Verkäufer muss also zwölf Monate lang beweisen, dass die Kaufsache bei Übergabe mangelfrei war. Das gelingt ihm im Zweifel nur, wenn er eine unsachgemäße Behandlung oder einen Verschleiß der Ware durch den Käufer belegen kann. Das stellt eine erhebliche Herausforderung dar, auf die (jedenfalls bei einer Mängelanzeige) sachgerecht reagiert werden muss.

Und schließlich kommen dem Käufer auch noch zwei Ablaufhemmungen bei der Verjährung zu Gute: So tritt die Verjährung innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist (zwei Jahre) erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Faktisch läuft das auf eine Verlängerung der Verjährung auf zwei Jahre und vier Monate hinaus, zumal der Verkäufer kaum nachprüfen kann, wann der Mangel sich tatsächlich gezeigt hat. Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft: Der Verbraucher soll bis zu zwei Monate nach Übergabe der nachgebesserten Ware prüfen können, ob der Mangel tatsächlich behoben worden ist.

Die neuen Regeln sind jetzt bereits einige Monate in Kraft. In der Praxis zeigt sich aber immer wieder, dass die Unternehmer mit der Umsetzung ihrer Vertragswerke und Geschäftsbedingungen „hinterherhinken“. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten spätestens jetzt überprüft, das Verkaufspersonal geschult und die Vertragsverhältnisse, gerade auch in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten, mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden. Hierbei sollte (sofern einschlägig) zugleich ein aktuelles Urteil des LG München berücksichtigt werden, wonach eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der ein Vertrag (…) spätestens durch den Versand der Bestellung zustande kommt, einen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unzulässigen formularmäßigen Zugangsverzicht enthalte (LG München, Endurteil v. 15.02.2022 – 33 O 4638/21).

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