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Risikomanagement in Corona-Zeiten

Das Virus hat die Gesellschaft erreicht. Die Kontakteinschränkungen und Schließungen von Geschäften haben massive Auswirkungen auf den Geldkreislauf. Die Einnahmen vieler Unternehmen brechen ein, wogegen ein Großteil der fixen Kosten bestehen bleibt. Während Einzelunternehmer oder Personengesellschaften mit unbegrenzter Haftung mit guten Rücklagen für Notzeiten nicht direkt in Panik verfallen brauchen, handelt es sich um herausfordernde Umstände für die Geschäftsleiter von Gesellschaften mit Haftungsbegrenzung, also GmbH-Geschäftsführer, Vorstände von Aktiengesellschaften, GmbH & Co. KG usw.

Die aktuellen scheinbaren gesetzlichen Erleichterungen dürfen nicht zur Sorglosigkeit führen. Die gesetzlichen Vermutungen des Gesetzes zur Abmilderung der Folge der Covid-19-Pandemie können später auch widerlegt werden, sofern z.B. die Einschätzungen zum Jahr 2019 zu optimistisch waren. Das scheinbare Bon-Bon kann schnell zur Giftpille werden. Geschäftsleiter sollten daher die bisher geltenden Regeln weiter beachten.

Dass man Geld unbegrenzt zu haben hat, ist ein alter Grundsatz, auf den unser Wirtschaftssystem fußt. Dass die GmbH, die Aktiengesellschaft und andere das Recht begründen, die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen zu begrenzen und das Vermögen der Gesellschafter und Aktionäre zu verschonen, ist vielen bekannt. Jedem Recht steht eine Pflicht entgegen. Pflichten werden gerne verdrängt, vergessen oder erst gar nicht zur Kenntnis genommen.

Den meisten Geschäftsführern und Vorständen ist bekannt, dass man bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns verschuldensabhängig in die persönliche Haftung kommen kann.

Weit weniger bekannt und oftmals ignoriert wird, dass man auch nach § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG und z.B. § 130 a HGB auch verschuldensunabhängig in die persönliche Haftung kommen kann. Besonders brisant ist dies, da die verschuldensunabhängige Haftung oftmals nicht durch die D&O-Versicherung gedeckt ist.

Wenn ein Geschäftsführer oder Vorstand nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne Zahlungen der Gesellschaft leistet oder zahlungsgleiche Vorgänge nicht verhindert, dann haftet der Vorstand oder Geschäftsführer persönlich. Diese verschuldensunabhängige Haftung entfällt nur dann, wenn der Geschäftsführer oder Vorstand auf der Grundlage angemessener Informationen vernünftigerweise annehmen dürfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

Mit Urteil vom 11.02.2020 (Az.: II ZR 427/18) hat der Bundesgerichtshof nochmals klargestellt, dass der Beginn der Zeitpunkt dieser Haftung nicht der Zeitpunkt der Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrages ist, sondern deutlich davor beginnt, nämlich mit dem Eintritt der Insolvenzreife – im Regelfall also 21 Tage vorher. Insolvenzreife ist der Zeitpunkt, an dem ein Geschäftsführer oder Vorstand erkennt, dass er voraussichtlich nicht in der Lage ist, mehr als 90 % der fälligen Forderungen der Gesellschaft zu leisten oder eine insolvenzrechtliche Überschuldungsbilanz ergibt, dass das Vermögen der Gesellschaft die bestehende Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist.

In Zeiten von Corona ist insbesondere dem Thema der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen (lediglich zur Orientierung ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

1. Die laufenden Kosten und kommenden Verbindlichkeiten müssen erfasst sein, und die Liquidität muss überwacht werden.

2. Zum Erhalt der Entschuldigungsmöglichkeit durch Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hat ein Geschäftsführer oder Vorstand rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse beschaffen, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß einen Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss er sich beraten lassen, sofern er nicht gerade selbst ein ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet ist. Für diese Beratung muss der Geschäftsführer oder Vorstand unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen sich von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Personen beraten lassen (Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) und, sofern danach keine Insolvenzreife festzustellen war, das Prüfungsergebnis selbst einer Plausibilitätskontrolle unterziehen.

3. Wenn hier noch Zweifel verbleiben, dann muss der Vorstand oder Geschäftsführer das Gesellschaftsvermögen sichern. Zahlungen sind z.B. nur noch dann zulässig, wenn sie den Gläubigern einen gleichwertigen Gegenwert bringen. Eventuell ist ein Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen.

4. Der Geschäftsführer oder Vorstand hat dafür zu sorgen, dass Zahlungen auf kreditorische Konten (z.B. Geschäftskonto mit Kontokorrentkredit) umgeleitet werden und nicht dieser kreditgebenden Bank zugeführt werden – auch wenn dies Streitereien mit der betreffenden Bank ergibt.

Grundsätzlich gebietet daher die primär auf Masseerhaltung zielende Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers oder Vorstands in einer solchen Situation, ein neues, im Plus geführtes Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen Gesellschaftsschuldnern die gängige Bankverbindung unverzüglich bekannt zu geben. Das ist insbesondere für Geschäftsführer im Massenversandhandel oder bei Geschäften mit vielen Anzahlungen und Vorauszahlungen herausfordernd.

5. Die ohnehin schon verpflichtende Liquiditätsplanung ist zu verfeinern und unter Einbeziehung der im dreiwöchigen Betrachtungszeitraum fällig werdenden Schulden der Gesellschaft nötigenfalls rechtzeitig der Insolvenzantrag zur Sicherung der gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gläubiger zu stellen.

6. Eine intensive Informationen von Gesellschafterversammlungen und/oder Aufsichtsräten und Beiräten darf nicht vernachlässigt werden. Gesellschafter- oder Hauptversammlungen sind nötigenfalls einzuberufen.

Auch beherrschende Gesellschaftergeschäftsführer und Vorstände mit der Mehrheit der Aktien verwalten letztlich zuvorderst fremdes Vermögen, die Haftungsmasse für die Gläubiger.

Die Anteilseigner an den Gesellschaften werden bei einer Verteilung des Gesellschaftsvermögens als Letzte bedient. Wer dies als Geschäftsführer oder Vorstand missachtet, gefährdet konkret sein privates Vermögen. Der betreffende Personenkreis sollte sich daher nicht scheuen, frühzeitig kompetente Beratung heranzuziehen. Für entsprechende Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

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