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Fragen zur Kurzarbeit und Pflichten für Arbeitgeber

Die nachfolgenden Zeilen geben lediglich einen ersten Überblick und dienen der Orientierung. Bei arbeitsrechtlich zulässiger Anordnung von Kurzarbeit und sozialversicherungsrechtlichem Anspruch auf Ersatz des entsprechenden Verdienstausfalles durch Kurzarbeitergeld ergeben sich vielfältige rechtliche Fragestellungen, die in dieser Übersicht nicht im Detail beantwortet werden können.

1. Begrifflichkeiten

Was ist Kurzarbeit?

Kurzarbeit ist das Gegenteil von Mehrarbeit (Überstunden). Der Arbeitnehmer leistet bei Kurzarbeit weniger als die arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsstunden und erhält weniger Gehalt/Lohn. Wie bei Mehrarbeit ist dies nicht vom sogenannten Direktionsrecht (Weisungsgewalt) des Arbeitgebers gedeckt. Es braucht eine dementsprechende vertragliche oder gesetzliche Ermächtigung des Arbeitgebers, Kurzarbeit anzuordnen.

Woraus ergibt sich die Ermächtigung des Arbeitgebers?

Abgesehen von einer gesetzlichen Ermächtigung beim Vorliegen der Voraussetzungen zu Massen-Entlastungen braucht der Arbeitgeber eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Ermächtigung.

Das sind einmal die explizit im Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen, aber auch über Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen in einen Arbeitsvertrag ohne Absprache mit dem Arbeitnehmer einfließende Regelungen.

Tarifvertragliche Befugnisse zur Anordnung von Kurzarbeit gelten nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer (Gewerkschaftsmitglieder).

Bei Betrieben mit Betriebsräten können auch Betriebsvereinbarungen mit Wirkung für alle vom Betriebsverfassungsgesetz umfassten Arbeitnehmer unabhängig von der gewerkschaftlichen Zugehörigkeit getroffen werden. Es bleiben dann letztlich nur die sogenannten leitenden Angestellten übrig. Diese bleiben bei der Betrachtung nachfolgend außen vor.

Ergibt sich die Befugnis für den Arbeitgeber nicht aus einer tarifvertraglichen Regelung (mangels Tarifgebundenheit) oder aus einer Betriebsvereinbarung, dann muss beim Fehlen einer entsprechenden individuellen Klausel in einem Arbeitsvertrag eine freiwillige Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer getroffen werden. Das geht laut einem Landesarbeitsgericht auch über Bekanntgabe im Betrieb und Befolgung durch Arbeitnehmer. Es verbleibt dann allerdings ein rechtliches Restrisiko von Gehaltsnachforderungen. Ein schriftlicher Nachweis ist angeraten.

Oder aber es muss eine entsprechende Abänderung des Arbeitsvertrages mittels einer sogenannten Änderungskündigung einseitig durch den Arbeitgeber herbeigeführt werden. Wenn in dem jeweiligen Betrieb das Kündigungsschutzgesetz greift, dann muss die nötige soziale Rechtfertigung für diese Änderungskündigung über eine sogenannte betriebsbedingte Änderungskündigung herbeiführt werden. Hierzu ist eine detaillierte Darlegung der wirtschaftlichen Bedingungen im Betrieb und die faktisch unabwendbare wirtschaftliche Notwendigkeit durch den Arbeitgeber nachzuweisen.

Hierbei müssen insbesondere die Geschäftsleiter juristischer Personen (GmbH, AG, Genossenschaft etc.) aufpassen, ob hier eventuell auch die Grenze zum Stellen eines Insolvenzantrages erreicht wird – auch wenn diese Pflicht derzeit bis zum 30.09.2020 ausgesetzt ist. Gefährdet sind diesbezüglich vor allem kleinere und mittelständische juristische Personen, bei denen der Betrieb faktisch mit dem Unternehmen und der juristischen Person identisch ist.

Auch eine außerordentliche Änderungskündigung ist möglich, wenn die Fristen für ordentliche Änderungskündigungen nicht zumutbar sind.

Was ist der Unterschied zwischen Arbeitgeber, Unternehmen und Betrieb?

Der Arbeitgeber ist der Vertragspartner des Arbeitnehmers. Das sind entweder ein Einzelunternehmer, eine Personengesellschaft (z.B. oHG, GbR, KG) oder eine Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, etc.), also der sogenannte Rechtsträger. Das Unternehmen ist eine wirtschaftliche Organisationseinheit, die kaufmännische Betrachtung des Handelns des Arbeitgebers. Der Betrieb wiederum ist, grob gesprochen, die Zusammenfassung von Mensch, Material und Arbeitsläufen, mit denen der Arbeitgeber Einnahmen erzielen kann. Im Arbeitsrecht kommt es in erster Linie auf die Betrachtung des Betriebes an. Das gilt sowohl für das Betriebsverfassungsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz, das BGB bei einem Betriebsübergang wie auch im Bereich der Regelungen zum Arbeitslosengeld nach dem Sozialgesetzbuch III (Arbeitslosenversicherung).

Was ist Kurzarbeitergeld?

Kurzarbeitergeld ist eine Entgeltersatzleistung wie z.B. Krankengeld oder aber auch Arbeitslosengeld.

Beim Vorliegen der Voraussetzungen (Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, betriebliche Voraussetzungen, persönliche Voraussetzungen und Anzeige bei der Agentur für Arbeit) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III.

Wer kann den Arbeitsausfall mit Auswirkungen auf das Entgelt der Arbeitnehmer anzeigen?

Die Anzeige kann nur vom Arbeitgeber oder der Betriebsvertretung (im Regelfall Betriebsrat) erstattet werden.

Bei einer Anzeige des Arbeitgebers ist eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen – sofern vorhanden. Mit der Anzeige ist glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen (mindestens ein Arbeitnehmer betroffen) für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind, § 99 Abs. 1 SGB III.

Wann liegt ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vor?

Als Regelfall gilt, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit mit entsprechender Vergütung hat. Mehrarbeit oder Kurzarbeit darf nur vom Arbeitgeber angeordnet werden, wenn dies, wie oben angeführt, über den Arbeitsvertrag gedeckt ist. Bei der Anordnung von Kurzarbeit ist dann entsprechend weniger Geld zahlen. Ohne dieses Anordnungsrecht müsste der Arbeitgeber das volle vertragliche Montags-Entgelt zahlen, auch wenn er die Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann. Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn

  • er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unanwendbaren Ereignis (z.B. Naturkatastrophe) beruht,
  • der Arbeitsausfall vorübergehend und keine endgültige Betriebsschließung ist,
  • der Arbeitsausfall nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat als Anspruchszeitraum mindestens 10% der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer von einer Entgeltminderung von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.

Der Entgeltausfall kann auch bis zu 100 % des monatlichen Bruttoentgelts betragen (Kurzarbeit Null).

Bei den Berechnungen sind Auszubildende nicht mitzuzählen. Sie müssen weiter in Vollzeit ausgebildet werden.

Wann ist Arbeitsausfall vermeidbar?

Als vermeidbar gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der z.B.

  • Saisonbedingt ist oder durch die Gewährung von bezahltem
  • Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen oder z.B. durch ein
  • Gleitzeitkonto-Guthaben ausgeglichen werden kann.

2. Abwicklungsthemen

Anzeige

Die Anzeige über den Arbeitsausfall ist schriftlich durch den Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit zu erstatten, in deren Bezirk der Betrieb des Arbeitgebers liegt. Bei einer Anzeige vorab per Telefax oder per E-Mail übermittelten Scan ist auf das Nachreichen des Originals an die Agentur für Arbeit zu achten.

Unterlagen

Es ist der Anzeigenvordruck KUG101 der Agentur für Arbeit zu nutzen und die Gründe für die geplante Kurzarbeit mit

  • Ursachen des Arbeitsausfalls und betrieblichen Vergleichswerten, die die Unterauslastung belegen, mit Angaben zu Produkten oder Dienstleistungen, Hauptauftraggebern und Hauptauftragnehmern und
  • Angaben zur vorübergehenden Natur des Arbeitsausfalls

ausführlich dazulegen.

Antrag und Auszahlung

Der Arbeitgeber hat die Leistung auf Kurzarbeit des Geldes kostenlos für den Arbeitnehmer zu errechnen und an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Auch hierfür gibt es Vordrucke KUG107 und KUG108. Diese sind zu verwenden.

Haftung

Wer vorsätzlich oder fahrlässig die ihm obliegende Verpflichtung als Arbeitgeber beim Stellen der Anzeige und beantragen des Kurzarbeitergeldes nicht erfüllt, ist der Bundesagentur für Arbeit zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Gegebenenfalls zu Unrecht gewährte Beiträge sind vom Arbeitgeber zu erstatten. Dass vorsätzlich fehlerhafte Angaben zur Erzielung von Kurzarbeitergeld letztlich betrügerisches Verhalten darstellen und zu Strafverfahren führen können, versteht sich von selbst.

Steuern

Wie viele Entgeltersatzleistungen ist das Kurzarbeitergeld nicht lohnsteuerpflichtig und stellt kein Entgelt im Sinne der Sozialversicherung dar. Das Kurzarbeitergeld unterliegt allerdings dem Progressionsvorbehalt bei der Berechnung der Einkommensteuer. Der Arbeitgeber muss ab 01. März 2020 keine (reduzierten) Sozialversicherungsbeiträge mehr darauf abführen.

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