In der Krise einer kapitalistischen Gesellschaft (Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft ohne natürliche Person als Vollhafter, z.B. GmbH & Co. KG) werden die Nerven der Geschäftsleitung stärker als ohnehin belastet werden, da nicht alleine die Krisenbewältigung im Fokus steht, sondern zugleich auch die Vermeidung von Sanktionen aus insolvenzschädlichem Verhalten:
So ist aus Gründen des Marktschutzes bei der Krise von vorbenannten Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person mit ihrem privaten Vermögen einstehen muss, der Geschäftsführer gefordert, etwaige Insolvenzgründe zu erkennen und fristgerecht mangels Abwendbarkeit der Insolvenzgründe zwecks Meidung einer persönlichen Haftung Insolvenz anzumelden.
Hierbei wird häufig zur Vermeidung des insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus daran gedacht, die Passivseite dadurch zu optimieren, dass einige Verbindlichkeiten aufgrund eines so genannten Rangrücktrittes für insolvenzrechtliche Gründe unbeachtet bleiben. Ein solcher vermeidet nämlich den Eintritt einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn, weil und soweit dadurch ein positiver Saldo der Aktivseite gegenüber der Passivseite erreicht werden kann. Die im Rang zurückgetretenen Forderungen sind damit keine Verbindlichkeiten der Schuldner, sondern sie wirken dann wie Eigenkapital.
Wichtig ist bei der Formulierung, dass die Gesetzesanforderungen an einen solchen Rangrücktritt eingehalten werden, da anderenfalls dessen Wirkung möglicherweise verpufft und das Ziel, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden – also den Insolvenzgrund zu beseitigen – verfehlt wird. Die persönliche Haftung des Geschäftsführers würde latent (und unerkannt) entstehen.
Mit seinem Urteil vom 05.03.2015 hat der BGH Rechtssicherheit geschaffen, in dem er die wesentlichen Eckpunkte einer solchen Rangrücktrittsvereinbarung, die als Schuldänderungsvertrag zu werten ist, festgeklopft hat:
- Aus der Erklärung muss deutlich werden, dass der Gläubiger hinter sämtliche anderen Gläubiger des Unternehmens im Rang zurücktritt (hier reicht nach BGH ein Hinweis auf die Rangdefinition der Forderung im Sinne des Wortlautes der §§ 19 Abs. 2 S. 2, 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 InsO);
- es muss deutlich werden, dass der Gläubiger eine Befriedigung nur aus einem Liquidationsüberschuss oder freiem ungebundenen Vermögen verlangen kann (dies muss nicht explizit formuliert werden, sondern ist Inhalt des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO);
- es muss deutlich werden, dass nicht nur die Hauptforderung, sondern auch etwaige Zinsforderungen und sonstige Nebenforderungen vom Rangrücktritt umfasst sind;
- es ist entscheidend, dass die Regelung nicht nur den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, sondern auch den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung umfasst, da anderenfalls eine den Insolvenzgrund im Vorfeld beseitigende Wirkung zu verneinen ist: Eine Überschuldung wäre gegeben;
- der Rangrücktritt darf zeitlich nicht befristet sein.
Wer diese Eckpunkte in seiner Rangrücktrittserklärung beachtet, entspricht den höchstrichterlichen Vorgaben und erreicht damit, dass bestimmte Forderungen gegen den Schuldner auf der Passivseite des Insolvenzstatus ausscheiden.
Allerdings ist neben dieser zivilrechtlichen Betrachtung auch die steuerliche Wirkung einer Rangrücktrittsvereinbarung zu beachten: Denn es ist unbedingt zu vermeiden, dass der Rangrücktritt auch handelsrechtlich/steuerrechtlich dazu führt, dass die Forderung gegenüber dem Schuldner auf der Passivseite auszubuchen ist (wie bei einem Forderungsverzicht), da dies ungewollte außerordentliche Erträge bei dem Schuldner auslöst. Insbesondere ist hier § 5 Abs. 2 a EStG zu beachten, der eine Passivierung dann untersagt, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit abhängig gemacht wird von künftigen Einnahmen oder Gewinnen. Dann ist nämliche eine Passivierung erst mit der künftigen Entstehung möglich, folglich die Verbindlichkeit (bis dahin) ertragswirksam auszubuchen
Die Notwendigkeit, eine solche Formulierung in eine aus Insolvenzgründen formulierte Rangrücktrittsvereinbarung aufzunehmen, ist nach der aktuellen Rechtslage allerdings auch nicht gegeben, weswegen hier von „Aktionismus“ abgeraten werden muss.
Fazit: Seit der Entscheidung des BGH sind die Grenzen eines insolvenzrechtlichen Rangrücktritts deutlich erkennbar und beherrschbar, so dass für kriselnde Unternehmen und deren Geschäftsleitung die Welt besser und wieder beherrschbar geworden ist. Schön ist sie in diesen Situationen dennoch nicht.