Die Zeiten für Steuersünder werden härter. Durch erweiterte Ermittlungsmethoden, den (zweifelhaften, aber verfassungsrechtlich bestätigten) Erwerb so genannter Steuer-CDs durch den Staat und dergleichen mehr hat sich einerseits gegenüber früheren Zeiten das Risiko einer Tatentdeckung enorm erhöht. Auf der anderen Seite sinken die Aussichten, im Fall der Tatentdeckung mit einem „blauen Auge“ davon zu kommen. Dies zumindest dann, wenn die hinterzogenen Steuern die Millionenmarke überschreiten. Schon Ende 2008 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil entschieden, dass bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in Betracht kommen. Hierbei handelt es sich um eine für alle Straftäter entscheidende Grenze, da sich nur in diesen Fällen den Strafgerichten überhaupt die Frage stellt, ob die Freiheitsstrafe im jeweiligen Einzelfall zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Der BGH hat seine 2008 eingeschlagene Linie nun ausdrücklich bestätigt. Anlass hierfür war ein Urteil des Landgerichts Augsburg, dem folgendes Geschehen zugrunde lag: Der Angeklagte hatte Anfang der 2000er-Jahre eigene Gesellschaftsanteile zu einem Preis von 80 Mio. DM veräußert. Darüber hinaus hat er der Käuferin den Kauf weiterer Gesellschaftsanteile ermöglicht. Als Gegenleistung hierfür erhielt er Aktien der Käuferin im Wert von 7,2 Mio. DM, die er gegenüber dem Finanzamt fälschlich als Kaufpreisbestandteil seiner eigenen Anteile bezeichnete. Hierdurch verkürzte er Einkommensteuer in Höhe von über 890 TEUR. In einem zweiten Fall bewirkte der Angeklagte im Jahre 2006, dass die Gesellschaft, bei der er als Geschäftsführer tätig war, die ihm zustehenden Tantiemen in Höhe von über 570 TEUR nicht als Lohn an ihn auszahlte, sondern als „Schenkung“ an seine Ehefrau und seine Kinder leistete. Für diesen Vorgang wurden sogar eigens falsche Unterlagen gefertigt. Die Lohnsteuer wurde durch diesen gefährlichen „Trick“ um 240 TEUR verkürzt.
Obwohl also der Angeklagte bei beiden Taten zusammen mehr als 1,13 Mio. EUR Steuern verkürzte, verurteilte ihn das Landgericht Augsburg nur zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die es zur Bewährung aussetzte. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH in seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 07.02.2012 (AZ.: 1StR 525/11) das Urteil des Landgerichts Augsburg auf, weil dieses an durchgreifenden Rechtsfehlern zugunsten des Angeklagten bei der Strafzumessung leide. Entgegen den Maßgaben seiner Grundsatzentscheidung habe das Landgericht Augsburg das Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe nicht dargetan. Stattdessen lassen die Urteilsgründe besorgen, dass sich die Strafkammer bei der Einzelstrafbildung maßgeblich von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung habe leiten lassen. So wurde das Ausbleiben strafschärfender Umstände mildernd berücksichtigt, während etwa das Zusammenwirken des Angeklagten mit seinem Steuerberater bei der Erstellung manipulierter Unterlagen im Rahmen der Strafzumessung außer Betracht geblieben sei.
Der BGH verwies die Sache nun zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurück. Diese wird sich nun damit auseinander zusetzen haben, ob zugunsten des Angeklagten besonders gewichtige Milderungsgründe festgestellt werden können. Solche liegen nach Auffassung des BGH, die in dem Ende 2008 gefällten Urteil ausführlich dargelegt wurden, beispielsweise darin, dass sich der Täter im Tatzeitraum im Wesentlichen steuerehrlich verhalten hat und die Tat nur einen verhältnismäßig geringen Teil seiner steuerlich relevanten Betätigungen betrifft. In diesem Zusammenhang kommt es auf das Verhältnis der verkürzten zu den gezahlten Steuern an. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung hat darüber hinaus auch die Lebensleistung sowie das Verhalten des Täters nach Tatentdeckung Berücksichtigung zu finden. Dabei wirkt zugunsten des Angeklagten jedenfalls ein frühzeitiges Geständnis. Demgegenüber wirkt es zulasten des Angeklagten, wenn er unrichtige oder verfälschte Belege zu Täuschungszwecken erstellt oder verwendet hat. Auch die Verstrickung anderer Personen in die eigene Steuerstraftat spricht bei einem entsprechend hohem Hinterziehungsbetrag gegen eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe.
Wie bereits das Grundsatzurteil aus Dezember 2008 wird auch dieses Urteil des BGH Signalwirkung für alle laufenden und zukünftigen Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung haben. Vor diesem Hintergrund und bei Berücksichtigung der sich ständig verbessernden Ermittlungsmethoden und der Schaffung zusätzlicher Ermittlungsbefugnisse, wie beispielsweise durch den im geplanten Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz vereinbarten erweiterten Auskunftsaustausch, sollten Steuerpflichtige ernsthaft prüfen, ob für sie eine Selbstanzeige im Ergebnis der bessere Weg zur Beseitigung des von ihnen nicht immer mit gleicher krimineller Energie und teilweise sogar unerkannt begangenen steuerlichen Unrechts ist. Wegen der im Zusammenhang mit der Erstattung einer Selbstanzeige zu beachtenden Fallstricke, die im schlimmsten Fall zu einer Aufdeckung der Steuerstraftaten führt, ohne jedoch die gewünschte Strafbefreiungswirkung herbeizuführen, sollte dieser Schritt nur unter steuerlicher Beratung und in Begleitung eines entsprechend spezialisierten Rechtsanwaltes erfolgen.