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Überstunden – Pauschale Abgeltung in Formulararbeitsverträgen ist häufig unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.02.2012, Az.: 5 AZR 765/10 klargestellt, dass die in vielen Formulararbeitsverträgen enthaltene Regelung, dass Überstunden/Mehrarbeit vom Bruttogehalt bereits abgegolten sind, unwirksam ist.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

1.
Der Kläger war Lagerleiter bei einer Spedition und verdiente dort ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 1.800,00 EUR. Seine wöchentliche Arbeitszeit betrug 42 Arbeitsstunden. Er war laut Arbeitsvertrag bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit verpflichtet. Zudem war unter Ziffer 4.4 seines Arbeitsvertrages geregelt, dass er für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung erhalten sollte.

Des Weiteren erhielt der Kläger aufgrund einer mündlichen Abrede für die in der Zeit von 18.00 Uhr bis 06.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden einen „Nachtzuschlag“ in Höhe von 25 % des Stundenlohns.

Im September 2009 klagte dieser Lagerleiter Vergütung für 968 geleistete Überstunden für die Jahre 2006 bis 2008 ein.

Der Arbeitgeber berief sich – wie nicht anders zu erwarten – auf die Bestimmung unter Ziffer 4.4 des Formulararbeitsvertrages, wonach der Arbeitnehmer für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung erhalten sollte. Zudem argumentierte der Arbeitgeber damit, dass mit der Gewährung der Nachtzuschläge jedenfalls alle möglicherweise bestehenden Zahlungsansprüche beglichen seien.

2.
Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 22.02.2012 ausgeführt hat, verstosse die unter Ziffer 4.4 getroffene Regelung als Allgemeine Geschäftsbedingung gegen das so genannte Transparenzgebot, da sie nicht klar und verständlich sei.

Eine arbeitsvertragliche Bestimmung, wonach Mehrarbeit/Überstunden vom regulären Bruttogehalt abgegolten sein sollen, müsse hinreichend bestimmt sein. Der Arbeitnehmer soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen können und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Wie das Bundesarbeitsgericht auch bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt hat, sei eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergebe, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukomme“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen müsse.

Daher sei die von den Parteien unter Ziffer 4.4 des Formulararbeitsvertrages getroffene Klausel unwirksam. Außerdem beinhalte auch die zwischen den Parteien mündlich getroffene Vereinbarung eines „Nachtzuschlags“ keine pauschalierte Überstundenvergütung.

Gleichzeitig führte das Bundesarbeitsgericht aber auch aus, dass jeweils im Einzelfall zu prüfen sei, ob eine Vergütung für die Überstunden überhaupt erwartet werden könne. Die Vergütungserwartung sei jeweils anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen.

Es müsse eine objektiv begründete Vergütungserwartung bestehen, was regelmäßig anzunehmen sei, wenn der betreffende Mitarbeiter ein Entgelt beziehe, das die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Westen 67.200,00 EUR/Jahr, im Osten 57.600,00 EUR/Jahr) unterschreite.

Wenn Dienste höherer Art geschuldet seien oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt werde, also jemand ein reguläres Entgelt beziehe, das die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreite, dann gehöre der Betreffende zu den Besserverdienern, die aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt werden.
Solche Mitarbeiter könnten regelmäßig nicht erwarten, dass sie für über die reguläre Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden eine zusätzliche Vergütung erhalten.

Im Ergebnis bejahte das Bundesarbeitsgericht daher auch in Anbetracht seines Einkommens und der von ihm ausgeübten Tätigkeit einen Vergütungsanspruch für den betroffenen Lagerleiter für sämtliche von ihm geltend gemachten und nachgewiesenen bzw. unstreitigen Überstunden.

Fazit: Bei der Formulierung von Arbeitsverträgen ist daher mit großer Sorgfalt darauf zu achten, ob von dem betreffenden Mitarbeiter in Anbetracht der von ihm vertraglich geschuldeten Tätigkeit und seiner Stellung im Betrieb, insbesondere der Höhe seines regulären Bruttoeinkommens oberhalb oder unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt erwartet werden kann, ohne zusätzliche Vergütung Überstunden zu leisten bzw. wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang.

Zudem empfiehlt es sich aus Arbeitgebersicht, wirksame Ausschlussklauseln in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, um sich hier im Nachhinein vor unliebsamen Überraschungen durch Nachzahlungen größeren Ausmaßes zu schützen.

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