In zwei aktuellen Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht der Meinungs- (Äußerungs-) Freiheit gestärkt. Dieses Recht ergibt sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes und hat im demokratischen Meinungsbildungsprozess naturgemäß einen sehr hohen Stellenwert. Dennoch gilt dieses Grundrecht nicht uneingeschränkt, sondern es kann unter anderem durch allgemeine Gesetze, aber auch durch die Grundrechte Dritter beschränkt sein.
In diesem Sinne hatte das Bundesverfassungsgericht in zwei Streitfällen zu entscheiden, ob das Recht auf freie Meinungsäußerung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen beschränkt sein kann, die Behauptungen somit rechtswidrig gewesen sind.
Im ersten Fall war über eine erfolgreiche Leichtathletin behauptet worden, sie habe bereits als Jugendliche im Alter von 13 Jahren unerlaubte Dopingmittel verabreicht bekommen, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Die Leichtathletin, die diese Behauptungen untersagt wissen wollte, bekam bei den Zivilgerichten Recht mit der Begründung, ihr Gegenüber habe die Behauptung nicht beweisen können, weshalb diese als ,,unwahr“ einzuordnen seien. Und unwahre Behauptungen stellten – zutreffend – stets einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar.
Im zweiten Fall hatte ein Unternehmer auf einem Bewertungsportal über seinen ehemaligen Geschäftspartner – zutreffend – behauptet, dieser habe ihm Geld geschuldet, welches aber erst auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Strafanzeige hin an den Unternehmer gezahlt worden sei. Anzumerken ist, dass diese Internetbewertung drei Jahre nach dem Vorfall erfolgte, und zwar unter ausdrücklicher Namensnennung des Geschäftspartners, wogegen sich dieser wehren wollte. Auch hier gaben die Zivilgerichte dem ,,bloßgestellten“ Geschäftspartner Recht.
Anders das Bundesverfassungsgericht: In beiden Fällen hat es der Meinungsäußerungsfreiheit den Vorrang gegeben. Im Fall der Leichtathletin betonte das Gericht, dass zur Beurteilung eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht nicht zwingend darauf abgestellt werden könne, ob Tatsachen nur ,,nicht erweislich wahr seien“. Es müsse im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit ausreichen, dass der Behauptende zumindest alle Recherchemöglichkeiten ausgeschöpft habe, um – bei Vorliegen festgestellter Anhaltspunkte – seine Behauptung untermauern zu können. Die Anforderungen an die Wahrheitsfindung könnten dabei nicht so hoch sein, als dass jegliches Rechercheergebnis untersagt sei, wenn es nicht zum ,,Vollbeweis“ führe.
Allerdings sei stets eine Einzelfallabwägung vorzunehmen und je nach Sachverhalt müsse man vom Behauptenden erwarten, dass er die Erkenntnisse seiner Recherche, auch die etwaige Nichtbelegbarkeit seiner Behauptungen trotz Ausschöpfung der Recherchemöglichkeiten, deutlich mache. Das Zivilgericht wird diesen Vorgaben nun nachgehen müssen.
Im Parallelfall betonte das Bundesverfassungsgericht, dass wahre Tatsachenbehauptungen aus der Sozialsphäre stets zulässig seien. Das gelte auch, wenn solche Behauptungen erst mit geraumem Zeitabstand zum Vorfall aufgestellt würden (dieser Fall wurde in separater News ausführlich erläutert, hier erfolgt die Gesamtwertung, die auf eine Stärkung der Meinungsfreiheit abzielt).
Eine Ausnahme hiervon bildeten lediglich solche Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, die für den Betroffenen tatsächlich einen Persönlichkeitsschaden befürchten ließen und daher – aufgrund eines der Verbreitung der Wahrheit überwiegenden, berechtigten Interesses – unzumutbar seien, was das Gericht im Besprechungsfall nicht annahm. Vielmehr sei die späte Bewertung nicht rechtswidrig gewesen.
Man sieht, dass es bei der Beurteilung eines Eingriffs in Rechte einer von einer Meinungsäußerung betroffenen Person stets auf eine Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechte ankommt. Hierbei sind die Hürden, eine Meinungsäußerung zu untersagen, vom Bundesverfassungsgericht nun (erneut) recht hoch angesetzt worden.