Das Finanzamt hat keine Narrenfreiheit: Wenn der Steuerpflichtige eine korrekte Erklärung abgibt und aufgrund eines Fehlers des Finanzamtes fehlerhafte Bescheide ergehen, ist der Steuerpflichtige nicht dazu verpflichtet, das Finanzamt auf dessen Fehler hinzuweisen. Nutzt er den Fehler zu seinen Gunsten, begeht er keine Steuerhinterziehung.Was war passiert? Ein selbständiger Internist legte, nachdem er geschätzt worden war, ordnungsgemäße und vollständige Einkommensteuererklärungen vor. Für das Jahr 1999 erklärte er Einkünfte in Höhe von ca. 1 Mio. DM. Das Finanzamt erfasste die erklärten (positiven) Einkünfte fälschlich als negative Einkünfte und stellte zum Ablauf des Veranlagungsjahres einen verbleibenden Verlustvortrag (unter Einbeziehung weiterer – tatsächlich erklärter – Verluste) von 1,2 Mio. DM gesondert fest. Der Steuerpflichtige setzte nach Zugang des – mittlerweile bestandskräftigen – Feststellungsbescheides seine Kreuzchen in der Steuererklärung bei „Verlustabzug“ und „Erklärung des verbleibenden Verlustabzugs“. Daraufhin wurden bereits geleistete Steuerzahlungen in Gänze erstattet. In Anbetracht des noch verbleibenden Verlustvortrags musste er zudem keine Vorauszahlungen mehr leisten. Nun ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung an und der Steuerpflichtige bekam „kalte Füße“. Er schritt zur Selbstanzeige. Das Finanzamt selbst sah in dem geschilderten Sachverhalt keine Straftat, so dass es die strafbefreiende Erklärung ablehnte.
Der Steuerpflichtige wollte Gewissheit und Beschritt den Rechtsweg. Nun hat der BFH (AZ.: VII R 50/10) endgültig festgestellt, dass, „wer eine fehlerfreie Steuererklärung abgegeben hat“, keine Steuerhinterziehung begeht, „wenn er in einem Folgejahr einen vom Finanzamt zu Unrecht bestandskräftig festgestellten Verlustvortrag geltend macht“. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen scheide aus, wenn das Finanzamt alle erforderlichen Informationen durch die Steuererklärung erhalten habe, „weil der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, Fehler des Finanzamtes richtig zu stellen“. Folglich ist ein Veranlagungsfehler des Finanzamtes kein Anlass für die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung. Der BFH führt weiter aus, der Steuerpflichtige habe in allen betroffenen Steuererklärungen korrekte Angaben gemacht. Nachdem der Feststellungsbescheid über den Verlustvortrag bestandskräftig geworden sei, habe er die entsprechenden Kreuze in der Steuererklärung machen dürfen. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen scheide aus, wenn die Finanzbehörde alle erforderlichen Informationen erhalten habe. Diese habe sie vorliegend sogar vom Steuerpflichtigen selbst erhalten. FAZIT des BFH: Mit der Abgabe einer vollständigen und ordnungsgemäßen Steuererklärung hat der Steuerpflichtige seine Erklärungspflichten erfüllt. Weicht die darauf hin durchgeführte Veranlagung zu Gunsten des Steuerpflichtigen vom geltenden Recht ab, ergeben sich aus dem Verfahrensrecht keine weiteren Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen.
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Steuerpflichtiger muss Finanzamt nicht auf Fehler hinweisen, solange er eine korrekte Erklärung abgegeben hat
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