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Urlaubswünsche und Kurzarbeitergeld – Bonbon oder Giftpille für Arbeitgeber?

Der in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (SGB III) versicherte Arbeitnehmer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Mit der Organisation der Rahmenbedingungen ist allerdings – auf sein finanzielles Risiko – der Arbeitgeber gesetzlich betraut. Er trägt das Betriebsrisiko und wird trotzdem von Lohnkosten entlastet. Zum Beispiel muss der Arbeitgeber arbeitsrechtlich Kurzarbeit anordnen dürfen. Weiter muss der zu Kurzarbeit führende Arbeitsausfall unvermeidbar sein. Vermeidbar ist der Arbeitsausfall aber z.B. dann, wenn dieser betrieblich durch Gewährung von Erholungsurlaub zu Gunsten der Arbeitnehmer ausgeglichen werden kann. Allerdings wird in einem solchen Fall der Arbeitgeber im Regelfall den ungekürzten Lohn zahlen müssen und bekommt dann für diese Zeiten keine Erstattungen von der Agentur für Arbeit in Form von Kurzarbeitergeld. Rückstellungen für Erholungsurlaub sind zwar meist vorhanden, jedoch wird die Liquidität des Arbeitgebers bei Gewährung von Urlaub erheblich belastet.

Unterstützt von arbeitsrechtlich tätigen Beratern sehen einige Arbeitgeber eine einfache Lösung zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen bzw. rückzahlungsfreie Geldbeschaffungsmöglichkeit eröffnet, sozusagen eine Goldgrube. Denn die Agentur für Arbeit hat unter „Fragen zum Kurzarbeitergeld“ und auch in einem Merkblatt veröffentlicht, dass vom Arbeitgeber nicht verlangt werden könne, Urlaub gegen die Wünsche des Arbeitnehmers durchzusetzen. Das entspricht dem Wortlaut der Regelung in § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz. Das ist eine zivilrechtliche Regelung.

Bei den öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld ist jedoch vermerkt, dass der Arbeitgeber Urlaub nur gegen die vorrangigen Urlaubswünsche des Arbeitnehmers nicht durchsetzen muss. Sind diese nicht vorrangig, ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Pflicht, Arbeitsausfall durch Gewährung von Urlaub zu vermeiden. Auf die theoretische Belastungsgrenze der wirtschaftlichen Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls sollte der Arbeitgeber gerade in Zeiten von einfach zu erlangenden KfW-Förderdarlehen nicht vertrauen. Der Nachweis dieser Voraussetzung ist sehr schwierig.

Von daher ist besondere Sorgfalt bei der Prüfung der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles geboten.

Werden die gesetzlichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld verkannt, drohen mindestens Rückforderungen der Agentur für Arbeit in den nächsten Jahren.

Der Arbeitgeber sollte nicht vorschnell auf den Wortlaut des § 7 Bundesurlaubsgesetz vertrauen bzw. verweisen. Im Wortlaut des SGB III zu den vorrangigen Urlaubswünschen liegt nur scheinbar ein wesentlicher Unterschied zu § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz, der nach seinem Wortlaut keine Vorrangigkeit der Urlaubswünsche voraussetzt. Die arbeitsrechtlichen Regelungen sind jedoch verstreut und immer in der Gesamtschau zu lesen.

Wie andere Regelungen auch, ist das Bundesurlaubsgesetz eine Ergänzung zum normalen Zivilrecht und zum Arbeitsvertrag nach dem BGB. Es gilt daher auch § 241 Abs. 2 BGB, gerade im Arbeitsrecht. Danach haben die Vertragspartner wechselseitig auf die Interessen des anderen Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer ist Gläubiger des Erholungsurlaubs. Der Arbeitgeber ist Schuldner des Erholungsurlaubs.

Das heißt im Ergebnis, dass sich der Arbeitnehmer dann, wenn der Arbeitgeber sicher gehen will und zur Sicherung von späterem Kurzarbeitergeld das Nehmen von Urlaub vom Arbeitnehmer über § 271 Abs. 1 BGB verlangt, nicht ohne Grund dagegen sperren darf. Genauso darf in krisenfreien Zeiten der Arbeitgeber nicht ohne weiteres mit Hinweis auf betriebliche Belange Urlaub verweigern.

Nach dem Wortlaut des Bundesurlaubsgesetzes darf im Regelfall kein Erholungsurlaub aus dem Vorjahr existieren. Gesundheitsschutz – der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind in der Pflicht.

Weiter zu bedenken ist, dass der Arbeitnehmer der Anspruchsberechtigte im Bereich des Kurzarbeitergeldes ist und der Arbeitgeber lediglich aufgrund seiner Befugnis zur Anordnung mit der Abwicklung auf sein Risiko betraut ist. In der gesetzlichen Sozialversicherung ist der Arbeitnehmer auch Mitglied im Kollektiv der Versicherten. Schon bisher hatte die Agentur für Arbeit in ihren Ausführungsanweisungen zum Kurzarbeitergeld auch ohne Corona-Krise angemerkt, dass die Pflicht zur nachrangigen Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld (dort bezeichnet als Schadenminderungspflicht) sowohl den Arbeitgeber wie auch den Arbeitnehmer trifft. Das deckt sich mit den Verpflichtungen der versicherten Arbeitnehmer aus dem SGB I, das auch für das SGB III und damit für das Kurzarbeitergeld gilt.

Anders als andere Arbeitsforderungsmaßnahmen ist die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht an das Ermessen der Agentur für Arbeit sondern an das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft.

Maßgeblich sind also nur die vorrangigen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer. Bei mangelnder Sorgfalt des Arbeitgebers kann das vermeintliche Bonbon Kurzarbeitergeld in der Krise später zur Giftpille werden. Irgendwann wird die Corona-Krise beendet sein und dann wird die Agentur für Arbeit nach und nach bei jedem Arbeitgeber die Voraussetzung für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (nochmals) prüfen und evtl. Gelder zurückfordern. Ob dann noch einfach zu erlangende KfW-Darlehen zu bekommen sind, ist nicht vorhersehbar und alleine wettbewerbsrechtlich schon fraglich.

Ein Arbeitgeber sollte also möglichst auch dokumentieren, dass er nachhaltig versucht hat, dass seine Arbeitnehmer zumindest den aus dem Vorjahr noch vorhandenen übertragenen Resturlaub abbauen. Keinesfalls sollte er die Arbeitnehmer motivieren, grundlos Wünsche des Arbeitgebers auf das Nehmen von Urlaub abzulehnen, nur um die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld zu schaffen.

Fazit

Wer als Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen will, baut zumindest den übertragenen Urlaub aus dem Vorjahr bei seinen Arbeitnehmern ab.

Bei ansonsten sorgfältiger Unternehmensführung sind Rückstellungen für Urlaubsansprüche vorhanden. Liquidität kann gegebenenfalls über die derzeit diversen Fördergelder und Förderdarlehen (z. B. KfW) hergestellt werden.

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