Es geschieht nicht selten, dass ein Unternehmer, der sein Unternehmen an den Nachfolger verkaufen will, aus verschiedenen Gründen nicht den vollen Verkehrswert des Unternehmens verlangt. Dies führt regelmäßig zu einer so genannten teilentgeltlichen Veräußerung, bei der ein Teil der Übertragung entgeltlich ist, der andere Teil unentgeltlich. Dies soll an folgendem Beispiel dargestellt werden:
Die Mutter investierte in ihre Beratungs-GmbH 30 TEUR als Stammkapital. Als der Sohn mittlerweile in das Geschäft hineingewachsen war, verkaufte sie dem Sohn ihre Anteile für 30 TEUR. Sie wollte lediglich ihr eingesetztes Kapital zurück erhalten und nicht den tatsächlichen Verkehrswert der GmbH in Höhe von von 300 TEUR dem Sohn in Rechnung stellen.
Was sich so schlicht und lebensnah anhört, führt zu einer ertragsteuerlichen Überraschung: Aufgrund der Teilentgeltlichkeit wird die Finanzverwaltung die so genannte Entgeltlichkeitsquote berechnen und zu dem Ergebnis kommen, dass 10 % des Übertragungsgeschäftes entgeltlich, und 90 % unentgeltlich waren. Entsprechend wird die Finanzverwaltung die verkauften Gesellschaftsanteile quotal dem entgeltlichen Geschäft und dem unentgeltlichen Geschäft zuordnen, also 10 % der Anteile als entgeltlich veräußert ansehen und 90 % der Anteile als unentgeltlich. Folglich wird sie zu dem Ergebnis kommen, dass 3 TEUR Stammkapital (10 %) für 30 TEUR verkauft wurden (Entgelt) und 27 TEUR Stammkapital zum Verkehrswert von 270 TEUR geschenkt wurden. Die Mutter muss also auf die aufgedeckten stillen Reserven in Höhe von 27 TEUR Ertragsteuer abführen, obwohl sie selbst davon ausgeht, ihr eingesetztes Kapital zurückzubekommen, folglich keinen Veräußerungsgewinn zu machen.
Dieses überraschende – und wenig überzeugende – Ergebnis ist der so genannten Trennungstheorie geschuldet, die den Vorgang auf der Seite des Veräußerungsgegenstandes in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufteilt. Dem ist allerdings nicht zu folgen.
Die veräußerten Gesellschaftsanteile sind in einem Akt insgesamt für 30 TEUR veräußert worden (also ohne Aufdeckung stiller Reserven!), und lediglich der innewohnende Wert der Anteile, also die verbleibenden 270 TEUR stille Reserven unentgeltlich als Reflex übergegangen.
Diese Auffassung der sogenannten Einheitstheorie käme also zu dem Ergebnis, dass kein ertragsteuerlicher Gewinn entsteht, weil der Veräußerungspreis den ursprünglichen Anschaffungskosten entspricht.
Diese überzeugende Auffassung wurde zuletzt durch den BFH in 2012 in einer anderen Konstellation unterstützt: Hier hatte ein Unternehmen ein Wirtschaftsgut aus seinem Sonderbetriebsvermögen unter Verkehrswert an seine Gesellschaft durch Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Schulden veräußert, was der BFH nach der so genannten Einheitstheorie nur dann als steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang gewertet hätte, wenn das Entgelt (hier die Schuldübernahme) den Buchwert überstiegen hätte. Da das Entgelt hinter dem Buchwert zurückblieb, sah der BFH keinen Raum für die Aufdeckung stiller Reserven und lehnte die von der Finanzverwaltung angewendete Trennungstheorie – die wegen der Quotenbildung immer zu einem ertragsteuerpflichtigen Vorgang kommt – ab.
Es besteht also die Hoffnung, dass der BFH den Steuerpflichtigen auch in den vorgenannten Konstellationen zur Seite springt, wobei allerdings auch beim BFH kein Einvernehmen zwischen den Senaten besteht: Während der 4. Senat die strikte Trennungstheorie der Finanzverwaltung ablehnt, will der 11. Senat bei seiner Rechtsprechung bleiben und der Finanzverwaltung den Rücken stärken.
Derzeit kann also nur geraten werden, teilentgeltliche Geschäfte zu meiden und bereits verwirklichte teilentgeltliche Geschäfte gegen die etwaige Finanzverwaltungsmeinung offenzuhalten.