Zum Inhalt springen

Regelung der Unternehmensnachfolge: Früher und heute

Früher war es die vornehme Pflicht insbesondere des männlichen Nachfolgers in der Unternehmerfamilie, das vom Urgroßvater gegründete, vom Großvater und dann vom Vater weitergeführte Unternehmen in die nächste Generation zu bringen, möglichst schon frühzeitig darauf ausgerichtet, dass auch sein Sohn – oder bei entsprechend gewachsener Weltoffenheit und Toleranz: vielleicht sogar seine Tochter – das Unternehmen einmal nach ihm fortführen werde.

Es gibt heute gerade im Mittelstand viele Familienunternehmen, die in dritter, vierter oder sogar schon in achter Generation operativ von einem Familienmitglied geführt werden.

Die Zukunft wird sicher anders werden.

Ob immer noch Familienbetriebe solche bleiben werden, ist heute ganz und gar nicht mehr sicher: Gerade die Kinder aus wohlhabenderen Familien – wozu Unternehmerfamilien regelmäßig gehören – sind bildungsnah erzogen, machen ihr Abitur, studieren und gehen dann einen Weg oftmals am elterlichen Unternehmen vorbei. Es gibt noch einige, die ins elterliche Unternehmen einsteigen wollen, aber auch sehr viele, die den Weg in die freie Welt wählen, was aber keineswegs heißt, dass sie nichts mehr mit dem elterlichen Unternehmen zu tun haben wollen:

Sie wollen es nur nicht mehr selbst führen, wie der Vater oder der Großvater es getan haben.

Täglich ins Büro marschieren, täglich mit den Mitarbeitern Kontakt haben, täglich die Wareneingänge prüfen, kontrollieren, die Umsätze im Auge behalten, die Liquidität beobachten, Streitgespräche führen mit Kunden, Lieferanten, Banken, Mitarbeitern, deren Vertretern wie Gewerkschaften und Betriebsräten und viele sonstige, unbequeme Aufgaben erledigen, sondern diese neue Generation von Unternehmenskindern hat oftmals ganz andere Pläne:

Man schlage bloß die Wirtschaftszeitungen auf und sehe: Hier ist ein Start-Up-Unternehmen mit Erfolg gegründet worden, dort entsteht ein Start-Up, Universitäten mit speziellen Start-Up-Qualifikationsausrichtungen sprießen aus dem Boden, und die Junioren, die in entsprechenden Wirtschaftskreisen verkehren, schließen sich gerne solchen „neuen“ Strömungen an.

Die Unternehmensnachfolge ist also heute nicht mehr so zu verstehen wie noch vor dreißig oder vierzig Jahren, dass der Familienspross in die Fußstapfen seiner Altvorderen tritt, sondern er sinnt auf neues, zeitangepasstes und anderes Unternehmertum als das, was wir aus der Vergangenheit kennen und intensiv betreut haben.

Heißt das nun, dass die Unternehmensnachfolge praktisch obsolet wird? Gibt es sie etwa als Familienziel gar nicht mehr?

Die Antwort lautet eindeutig: keineswegs!

Diese Junioren haben nur einen anderen Blick für ihr Unternehmen. Sie wollen nicht mehr selbst operativ tätig sein, was aber nicht bedeutet, dass sie mit dem elterlichen oder gar großväterlichen Unternehmen nichts zu tun haben wollen: Sie wollen in Beiratsfunktion oder in Aufsichtsratsgremien mitwirken und die Richtung mitbestimmen, die das Unternehmen einschlagen und weiterverfolgen soll, aber sie wollen nicht mehr selbst das operative Geschäft machen. Sie schaffen damit mehr Freiraum für sich selbst, um weitere Initiativen unternehmerischer Art zu entwickeln, ohne aber ihr Familienunternehmen aus dem Blick zu verlieren.

Gerade wenn mehrere Familienmitglieder da sind, die sich allesamt von ihrer Führungsqualität und ihrem Interesse her als Unternehmensnachfolger eignen würden, ist das eine gute und „junge“ Option, die es so nicht gab: Bislang galt das „Anciennitäts-Prinzip“: Der Ältere war vor dem Jüngeren zugriffsberechtigt.

Das ist heute längst nicht mehr so. Der Jüngere wird (und muss) das auch nicht akzeptieren. Er hat selbst Vorstellungen, wie er sein Leben unternehmerisch gestalten kann und er will die Vorrangstellung des anderen nur auf Grundlage dessen Alters nicht mehr akzeptieren.

Aber wenn das Unternehmen groß genug ist, um ein fremdes Management zu beschäftigen, sind in den meisten Fällen die Kinder (Mehrzahl!) ohne weiteres bereit, in Aufsichts- und Beiratsgremien das Unternehmen, geführt von fremden Managern, zu begleiten, zu beobachten, mit Geld auszustatten, aber auch davon zu leben, jedoch nicht operativ für dieses tätig zu werden. Das überlassen die Junioren dafür geeigneten Managern, die nicht Familienmitglieder sind, aber die dem Unternehmen mit hohem Know-How aus anderen Unternehmensführungen zu dienen sich eignen.

Man braucht nur in die „größeren“ Familienunternehmen wie Haniel, Henckel oder Werhahn zu schauen, um zu verifizieren, was Sache ist:

Hier sind weit über 100 Familienmitglieder aus den Ursprüngen seit Gesellschaftsgründung hervorgegangen, die allesamt nicht im operativen Geschäft tätig sind, wohl aber die Entwicklung ihres Unternehmens kritisch überwachen und begleiten. Das ist auch eine Unternehmensnachfolge, die heute mehr und mehr bevorzugt wird, weil sie den Unternehmenskindern (Mehrzahl!) die Möglichkeit verschafft, ihr breiteres Wissen nicht einzuengen auf das, was gestern und vorgestern notwendig war, sondern den Blick frei zu haben für unternehmerische Visionen auch zu Gunsten des eigenen Familienunternehmens, ohne aber für die zeitaufwändige Umsetzung selbst dort eingespannt zu sein.

Unternehmensnachfolge heute heißt: Das Modell des oder der operativ tätigen Familienmitglieder verliert an Bedeutung zu Gunsten des Modells der weiterhin aktiven Eigentümerfamilie, die das Unternehmen hält, aber zusätzlich weitere unternehmerische Interessen einzeln oder wiederum koordiniert am Markt wahrnimmt. Gerade wenn solche Verbünde in Zukunft entstehen, ist die Gefahr der Zerschlagung von Unternehmen aus privaten Gründen heraus sicherlich gemindert: Der nicht zum Zuge kommende Zweitgeborene der Unternehmerfamilie braucht nicht erst beim Tod des Vaters den Pflichtteil zu fordern, was das Unternehmen möglicherweise zerschlägt, um an Geld zu kommen für die Begründung einer eigenen Selbständigkeit, sondern er einigt sich mit seinem älteren Bruder, dass beide das Unternehmen aktiv behalten, aber die Unternehmertätigkeit im Familienunternehmen ausüben lassen durch ein fremdes Management, das sie beobachten und anweisen werden im Interesse der Mehrung des Familieneigentums.

Wir Berater müssen uns darauf einstellen, entsprechende Rechtsformen auch schon für kleinere Unternehmen bereitzustellen, weil das „Modell“ nicht nur den großen Mittelständlern im Millionen- oder gar Milliardenbereich zu Gute kommt, sondern es lässt sich auch beobachten im gut situierten Handwerksbereich (seien es Großbäckerunternehmen mit 30 oder 50 oder mehr Filialen und Produktionsstätten), in Handelsunternehmen (mit verschiedenen Standorten und verschiedenartigen Sortimenten, die unterschiedliche Managementfähigkeiten benötigen), in Holdingstrukturen (die nicht nur die Eigentümerunternehmung halten, sondern Unternehmen dazu kaufen, die „dazu passen“ in Wertentwicklung, Zukunftsaussicht und Unternehmensmodell). Branchen sind künftig nicht mehr fremd, sondern unter solchen Umständen sind sie verwandt und von nicht der Familie zugehörigen Fachleuten zu leiten.

Nur die Manager, die das entsprechende Unternehmen der Branche führen, müssen spezifische Branchenkenntnisse mitbringen, um das von ihnen verantwortete Unternehmenswohl bestens entwickeln zu können; die Familie mehrt ihr Eigentum in dem Halten solcher unterschiedlicher Unternehmen, und kann sich dadurch schneller als ein traditionelles monistisches Unternehmen an sich verändernde Produktstrukturen und Märkte mit diversifizierten Kundenwünschen anpassen.

Die Zukunft gehört immer noch dem mittelständischen Familienunternehmen, aber nicht mehr bloß mit der Hand des einen operativ tätigen Unternehmensnachfolgers, sondern der gesamten Familie mit gesammeltem, diversifiziertem Know-How der Familienmitglieder in Unternehmensführungsstäben.

Mit unserem Newsletter bleiben Sie juristisch auf dem neusten Stand.